Eibensang

Sommerernte

Da ist kein Altar mehr in meiner Bude – aber Kniefälle mache ich sowieso lieber draußen, und genau genommen möcht‘ ich mich eher auf die Zehenspitzen stellen, zum Beispiel, um die Sonne zu umarmen. Freundlich strahlt sie zurück, obwohl oder weil zur leibhaftigen Beknuddelung dann immer noch 143.900.379.838 Meter zwischen uns liegen (was auch sein Gutes hat. Schon mit meinen zwei Meterchen Vertikalmaß finde ich nur selten passende Schuhe – in so mancher Hinsicht, hihi – und der Hitze und Nähe Mardølls wäre ich leibhaftig, obwohl ich’s an und pfirsich gern heiß mag und nah, weißdieheiße nicht gewachsen. Sang- und klanglos verdampfen müsst‘ ich, lang bevor die Geliebte mich wahrnähme! So heiß ist MEINE Göttin!)… Aber lass dich feiern, Große, lass dich bewundern, Hübschheiße, und mich vor dir verneigen, Erhabene Weckerin geflügelter Schnabelchöre jedes heiligen Waldmorgens! Du Hüterin meines Glücks beschenkst mich so reichlich dieser Tage!

Keine Bange, liebe Leserinnen, bin schon zurück aufm Teppich. Ist ja nur, weil mein Herz klopft, und ich es wieder spüre. Dank Wind und Sonne, dank Regen und Nachtluft, dank Sturm im Gebälk und einiger Wunder am Rande, auch dank einer ganzen Reihe lieber Menschen und glücklicher Begegnungen und Entwicklungen und darob frisch angeblasener Glut in manchem Aschenfeuer hinter meinen Rippen. Ringsum geht halb die Welt unter, und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu schildern, wie meine grad aufgeht, von wo mir überall Kraft zuteil wird und belebende Energie – das beinah‘ einzige, was seit geraumer Zeit zu kurz kommt, ist Schlaf, aber man kann halt nicht alles haben. 😉

Einen neuen Freund gewann ich, unversehens und staunend, in einer Juninacht, als ich im Basislager von Ragnars Visionssuche (siehe vorigen Blogeintrag) eigentlich nur vorhatte, Helferlein zu spielen… aber eine Vision erntete.
Der neue Freund gab mir die. Er ist Ausländer, von ziemlich weit weg, weshalb ich seinen Namen zwar aussprechen, aber hier nicht buchstabieren kann. Dieser Freund ist kein Mensch, sondern ein heiliges Feuer, das immer irgendwo auf der Welt brennt, und das auch wir hüteten: eine Woche lang, die unversehens wundervoll wurde. In jener Nacht, ich hatte gerade Feuerwache (also dafür zu sorgen, dass immer zwei brennende Scheite pfeilförmig nach Westen wiesen), sprach es mich einfach an. Das Feuer. Das heilige. Nicht mit Menschenworten, aber mitten in mein Menschenherz. Mein Funken, mein eigener und ebenfalls heiliger – jener, auf den ich aufmerksam wurde, als ich 14 war und der fortan mein Überleben ermöglicht hatte (aber das ist eine andere Geschichte) – sprang sofort an und gebar eine Flamme. Tanzend vereinigten sie sich, die heiligen Feuer, das kleine hartnäckige persönliche und das nicht minder hartnäckige große einer fast ausgerotteten Kultur, der ich, obwohl sie nicht meine ist, schon eine Menge verdanke (aber das sind andere Geschichten). Sie verstanden einander sogleich. Wieder sah ich in eine Art Spiegel… und was ich sah, ließ mich beben, weinen – und endlich verstehen.

Voilá, ihr Enterbten zurückzuerobernder Pfade all over Mutter Nerthus (wie ich gerne die Planetin nenne, die unser aller Heimat ist), ich komm euch verstärken. Ich habe euch Augen mitgebracht, erfahrene, die aber jederzeit ins Schimmern geraten, wenn das Herz es befiehlt, und runderneuerte frische Ohren: meine. Mit einem Gehirn dazwischen, von dem ich rücksichtslos Gebrauch mache! (Es ist nicht mein Herr, nur mein emsiger Diener.) Dazu zwei Hände, lang und sehnig schon immer – aber mutiger, als sie jemals waren. Auf meine Füße ist eh Verlass: Fußgänger aus Passion bin ich – schreitend unterwegs seit dem Ende meiner Krabbeltage. Hey, Nerthus, du Gegenwärtigste aller Göttinnen, lad meinen blutdurchpumpten Akku auf, mit jedem Schritt meiner blanken Sohlen auf deinem heiligen Grund. Ich spür dich durch jeden Asphalt, jedes Linoleum und jedes Laminat hindurch. Hör dich mit jedem Trommelschlag, jedem Herzensbeben, jedem Atemzug und auch im ICE, dem späten Blindwurm. Noch (als gelegentlicher Gast) im Röhrenbauch eines kerosinfressenden, steifgeflügelten Flugdrachens, 10.000 Fuß über den Industrieäckern, Steinwüsten, Lichtermeeren und verkabelten Wassern, bin ich nur für dich unterwegs – für dich und die Deinen. Denn wo ich lande, singe ich dein Lied, erzähle deine Geschichten… zum Beispiel jene, wie du aus mir, dem Entfremdesten und Lächerlichsten aller heillosen Bohnerwachsrutscher, deinen Krieger machtest.

Der Fisch stinkt vom Kopf her, und auch Unfreund Mensch ändert sich nur von dort aus – wenn überhaupt. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich aber habe schon erleben dürfen, wie sich das Gute durchsetzte. Durfte Teil haben daran. Habe da sozusagen Blut geleckt – meins gegeben. Gebe es wieder. Verzweifle auch – immer wieder. Und blute, hoffe, bin und rackere weiter – bis zum nächsten Augenschimmern. Das zu erzeugen, bin ich hier. Kleine Sache? Die größten Sachen fangen klein an. Vielleicht sind sogar all die großen Ozeane (die wir grad so unverantwortlich leerfischen lassen, als wollten wir kein Morgen) das Ergebnis – irgendeiner ersten göttlichen Träne, die am Anfang stand. Die den Anfang machte. Alle Antwort ist nass.

Das Schicksal, in dem Fall verkörpert (mit freundlicher Genehmigung der Nornen) durch den bildschönen Helge, die feinwilde Michaela Esmeralda und einen Blitzstrahl von Mann, der sich Sonne nennt, führte mich zwischen die Zelte noch weiterer Erstaunlicher, die mich übergriffig berührten: hinter den Rippen, an der Pumpe. Wiedersehensfreuden und Neubegegnungen tanzten einen Reigen, aus dem Glück troff – überschwänglich, wie Mutter Natur nunmal ist. Es war keine Orgie, nichts Ungestümes – bei aller Zartheit aber umso ehrlichere Freude, die ihre Flügel ausbreitete über uns alle… Und zwischen herzverstärkten Tönen, die sonst flüchtig gewesen wären, flüssigen Nüssen (die weicher als jedes andere Brennwasser berauschten) und dem Schimmern unserer Augenwinkel erkannten wir uns. „Hände fassten sich, fanden ineinander…“ Die Singvøgel hatten die Ehre, den Soundtrack liefern zu dürfen: zwei Programmstunden und eine Zugabenstunde live auf dem Gras des Germanengehöfts Elsarn (bei Krems in Ö), die vielen Trommeleien, Gesänge und sonstigen Töne am nächtlichen Lagerfeuer nicht mitgezählt. Zwei Tänzerinnen von den unvergleichlichen Baubo Vibes, Sylvia und M. Esmeralda, vor deren Anmut und Schönheit die Sonne selbst in die Knie ging in dämmernder Ehrfurcht; besagter Sonnenkrieger und Freund, der schöne Fühlbruder und Freund – ah, ich kann die Aufzählung hier nicht komplettieren: Für manche, die mein Herz wärmten, mir Kraft gaben, mich begeistern, fehlen mir die Worte, zu beschreiben, was da Feines passierte – unterhalb irgendwelcher Sensationen, aber so wichtig und richtig, dass ich euch alle wiedertreffen will und muss. So bald wie irgend möglich. Und falls es brennt, früher. Einiger Umarmungen darf ich mich erinnern, und keine war flüchtig oder formal. Einige Einladungen empfing ich, und legte sie ab: ins Brennfach – dort, wo es wehtut. Schmerzen erinnern. Ich habe Heimweh nach euch. Ja: Wiedersehen!

Es geht weiter. Letzte Woche putzte ich das Haus, das ich bewohne, für den ersehnten Ansturm von knapp drei Dutzend Übernachtungsgästen, von denen über zwei Dutzend meine erklärten Mitstreiterinnen und Verbündete sind: Nornirs Ætt nennen wir uns, wir gelungenes Experiment aus 18 Jahren eingeübter Konsensdemokratie nicht Zusammenwohnender. Ich bin ein lausiger Putzer, aber ein, glaube ich, ganz guter Konsensdemokrat. Wir sind die Creme der Gestrauchelten, die ungermanischsten Germaninnen aller Zeiten und Geschichte (und damit deren beste Hoffnung – ja, so schlecht sind die Zeiten, aber so war es schon immer), wir sind die Blüten unserer Wunden, die Träume unseres Tuns, kurz: eine ungewöhnliche Sozialgemeinschaft. (Wir nennen uns ja Heilsgemeinschaft, aber erklär das jemand, der das Wort „Heil“ nur als unheiles Gebrüll schwanz- und hirnmäßig offensichtlich zu kurz Gekommener kennt…). Hierarchiefrei: Ja, das war Arbeit! Und Absicht. Von Anfang an.

Zum 18. Mal hielten wir unser alljährliches Allthing ab. 27 Herzen sind wir nun, etwas mehr Frauen als Männer, und einer so verrückt wie die andere. Die Jüngste ist 17, der Älteste bin mit 54 derzeit ich. Aber geschissen auf die Daten – unsere Währung ist Vertrauen, und damit fahren wir stabil und gut durchs Leben.

Sonne, durchflute mich. Mardøll, gieße deine Strahlen über mich, erleuchte mir Herz und Seele. Große Sau, befeuere meine Liebe und alle Lieben, die mich tragen, entfache mein Feuer, entflamme mein Herz, lass meine Augen leuchten bis in die tiefsten Abgründe derjenigen hinein, deren Gemüt längst kalt ist. Unter dieser Asche, lehrt die Erfahrung, glimmt Glut, pocht Weh, singt Sehnsucht: will leben. Ich blase hinein in diese Asche bis die Träne glüht. Oder die Wange. Auf, ihr Verzagten! Wir dürfen was wagen – dies ist unsere Stunde! Bragi, Runenträger, befeuere meine Worte, verleih meinen Ideen Form und Gestalt. Wanderer, alter Schlapphut, führ mich zum Heer, über das ich deinen Speer werfe, wenn du die schäbige Kutte abwirfst und dich als Schlachtengott entpuppst: Wir sind nicht zum Spaß hier, für uns war immer schon blutiger Ernst, worüber andere nur lachten. Mal sehen, wer’s zuletzt tut… dann.

Scannt unsere Daten, Geheimtuer-Amigos diesseits und jenseits des verkabelten Großteiches, analysiert unsere Bewegungsprofile, siebt unsere Emails und SMS-Smilies, fresst unsere als privat gedachten Messages und all unsere Katzenfotos von Fetzbook bis Gugel, bis euch die Speicher platzen: Das Entscheidende entgeht euch doch, ihr Drohnen. Jeder von euch verfolgte Whistleblower sägt ein Loch in euer Weltreich, durch das der Wind der Wahrheit weht. Ihr könnt nicht mehr verhindern, dass sie uns erreicht. Ich verrate euch freiwillig – Bankgeheimnis war ja eh vorgestern – meinen Kontostand: Er beträgt sieben Milliarden. Jepp, die Zahl macht derzeit alle nervös. Es sind Menschenherzen. Schon über sieben Milliarden Stück, die derzeit schlagen – unter welchen Bedingungen auch immer. Aber für jedes einzelne sind die Menschenrechte gedacht. Wenn der vermaledeite arrogante „Westen“ die nicht mehr einfordern, ja nicht mal mehr verbal verteidigen mag: Ich tu’s. Mit mir stehen 26 Herzensspeere – parat und bereit. Löwin ihr Junges und so.

Wir sind nicht allein. Wir stehen auf den Schultern all jener, die das für euch und uns erkämpft haben: die halbe Menschheitsgeschichte hindurch. Und neben dem Heer der Ahnen – dieser Ahnen – erwacht das der Lebendigen. Mit jedem Whistleblowing, jeder erschreckenden Wahrheit werden es mehr. Ihr habt die Medien, das Geld und die Macht der Gewalt. Und die Angst vor unserer Übermacht. Sie wird euch erwürgen. Lauft über, solange noch Zeit ist. Werdet KriegerInnen der Menschlichkeit. So oder so: Ihr kämpft auf unserem Boden. Auf Mutter Erde. Entscheidet euch, wofür. So abgelutscht der alte Hopi-Spruch wirken mag, er stimmt doch: Geld macht nicht satt. Man kann es nicht essen. Die gute Nachricht: Es gibt Alternativen. Immer und jederzeit. Im Namen von Frosch und Sumpf, im Namen von Liebe und Verhandlung, im Namen von Adler und Sperling, im Namen von Tiger und Thun, im Namen von Kieme und Pranke, von Fell, Haut, Feder, Zunge und Kuss. Und all den anderen. Wir sind gemeinsam hier.

2 Reaktionen zu “Sommerernte”

  1. Bodecea

    Wie immer inspirierend, Danke!

  2. fee

    Dankeschön 🙂

    grüssles fee

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