Eibensang

Vogelsang

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Du fragtest nach meinem Gesang, Fremder? Kopf hoch
In jeder klaren Nacht kannst du mein Gefieder glitzern sehen
Auch deine Milchstraße gehört zum Muster meiner Schwingen
Ich liebe Spiralen…!
Meine Stimme willst du hören?

Ich bin das Geräusch,
mit dem die Sonne ins Meer taucht jeden Abend
Ich bin das eine Blatt, das die Winde stehengelassen haben
Ich bin das trommelnde Nass, das die Krume aufweckt
Ich bin die Flamme am Himmel, die sich in Zacken zur Erde streckt
Ich bin das Knarzen der Bäume beim Altern der Welt
Und das Seufzen des Felsens, wenn Schnee drauf fällt

Nach meiner Stimme fragst du…?

Kennst du den klirrenden Frost, das Versteinern der Haut?
Und auch den Sturzbach aus den Augen, wenn das Eis einfach taut?
Was willst du denn hören?
Hast du je zugehört?
Hat je eine Stille dir die Gedanken gestört?
Sieh her. Ich zeig dir, wer und was dir gehört:

Der Wölfin Gruß nachts an das bleiche Gesicht
Das Hämmern des Schnabels, wenn die Eischale bricht
Das pumpende Weltall, das Flüstern der Flut
Das Lachen der Schwerkraft, und das Singen im Blut

Ich bin das Stampfen der Hufe, wenn Horn an Horn klackt
Der Schrei der Blüte, die ein Sonnenstrahl packt
Die steigende Hoffnung, des Traumes tanzender Ton
Der Rost am Unterboden der Zivilisation
Warte – ich komme schon

Ich bin das warnende Fiepen, wenn der Bussard pfeift
Das Knistern des Kleides, das die Schlange abstreift
Das rettende Loch und das verbotene Wort
Die richtige Zeit und der nötige Ort

Ich bin das „Wild-“ vor der „-sau“, komm als Kalb aus der Kuh
Und ich beginne zu beben, wenn die Liebe sagt: Du
Komm her. Wir sind soweit.
Die Hand, die die Nebel teilt, führt dich heim.

Laß endlich los.
Es ist Zeit.


Text © Duke Meyer 1994

CD „Im Schein der Silbersichel“ (Dez. 2000)

eibensang 2001/2

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