Eibensang

The Beauty and the Beast

„Wenn ich schön wäre -würdest du mich dann rauben?“

„Ich würde dich auch so rauben, wie du bist. Leider bin ich nicht halb so mächtig wie King Kong.“

„Am Schluss stürzten sie ihn vom Empire State. Wäre das denn dein Traum?“

„Mit der Geschichte vorher – ja. Aber ich würde trotzdem nicht so enden. Ich würde hinabsteigen, bevor sie kommen. Meine haarige Hand würde dich bergen, und unser wäre die Flucht.“

„Doch ich bin hässlich, und du kraftlos. Wir sind niemandes Traum und niemandes Wunsch. Keiner wird uns je fürchten.“

„Und – wenn wir uns lieben?“

„Was käme dabei schon heraus?“

„Das Glück für uns – und der Neid für die anderen.“

„Wer sehnt sich nach Neid, Biest?“

„Du doch bestimmt am allermeisten – ‚Beauty‘!“

„Nein. Ich will… Liebe.“

„So nimm denn meine. Mehr vermag ich nicht zu geben.“

„Hast du überhaupt die Kraft, mich hochzuheben?“

„Nein, Hässliche. Meine Kraft reicht grad für einen Kuss.“

„Du willst küssen können? Mich?“

„Mensch, ich muss!“

„Und wieso?“

„Damit unsere Geschichte endlich beginnt.“

Sie knutschten. Dann nahm die Hässliche das Biest bei der Hand und setzte es sich auf die Schultern. Sie gingen am Empire State Building vorbei. Hoch oben malten ziellose Düsenjäger Kondensstreifen in die Luft. Die Leute unten blieben stehen und musterten das scheußliche Paar. Das Biest spuckte ihnen auf die Köpfe, in die Tabakspfeifen und in die Dekolletes. Die Hässliche krähte ein Lied. Und so gingen sie weiter fort, quer durch die Schluchten von New Dorf, in der Hoffnung, früher oder später einen Ausgang zu finden.

Text © Duke Meyer 1986

Hystéria oder Aufführung auf Deutsch 1988/89
Singvøgel

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