Eibensang

Schwein gehabt…

…und gegrillt. Grillen lassen: In meinem Alter macht man nicht mehr jeden Scheiß selber, schon gar nicht, wenn man noch Besseres zu tun hat. Ich krönte die Königin. Ich hatte keine Band bestellt, bekam trotzdem eine, baute ein gallisches Dorf (nur das Schlußbild aus Asterix), kaute Chilischoten ohne Beilage, versteckte einen Negerkuss in einem Teebeutelpappschächtelchen, ließ mir von Schwertern den Weg versperren, rammte meins in den Boden und stellte einem ehrenwerten Mann aus der Steiermark eine ehrliche Frage. Sein Nein hätte mich nicht aufgehalten, aber er sagte ja. Was die insgesamt doch komplexe Angelegenheit angenehm vereinfachte: Schwein gehabt…

Das immerhin hab ich endlich gelernt: Man darf sich nicht aufhalten lassen – von gar nichts in dieser ebenso schönen und wundersamen wie garstigen und gefährlichen Welt. Wenn man dazugehören will. Hier aber endet der Freie Wille, sofern er nicht eh nur praktischer Mythos ist. Denn die Frage ist nicht, ob man dazugehören will. Wir gehören alle. Dazu. Man will, man muss es nur – im Zweifelsfall – bestätigt bekommen. Darüber wurden schon Kriege gefochten, auch von mir. Diesmal reichte Symbolik. Akzeptanz war mir sicher, in tiefer Dankbarkeit nahm ich sie an. Ich weiß, wovon ich rede. Denn ich begann als Paria, als Unberührter, der sich darob für unberührbar, aussätzig hielt für zu lange. Vor ungefähr 37 Jahren. Drei meiner 37 auffallendsten Gesichtsfalten rühren daher. Aber wisst ihr, was das für ein Gefühl ist, eine solche Fresse geküsst zu bekommen? Mich küsste die Königin.

Eine traditionelle Hexe, Wicca sogar, schnitt mir in die Haut bis Blut tropfte. Außer meiner greisen Mama hat das niemanden erschreckt. Zum ersten Mal in meinem Leben zapfte ich Bier. Ich kostete auch vom Schwein, doch das Steirische Buffet mundete mir mehr. Ich wurde beschenkt, als ob ich’s verdient hätte, und noch darüber hinaus. Ich ließ mich übern grünen Glücksklee loben von meiner wunderbaren Wahlschwester – und von mächtigen Frauen warnend belehren: Beides fand ich angebracht.

Denn ich bin ja ein Mann. Was immer uns trennt, Jungs – eins haben wir gemein: Uns fehlt die Initiation. Ich hatte zwar eine. Aber die war nur symbolisch. Wenn auch begründet. Dennoch gilt für uns heutige Männer alle: Wir laufen Gefahr, als purbertierte Unreife (nur biologisch erwachsen Gewordene) den Rest des (heute doch so langen) Lebens vor uns hin zu altern – mit beträchtlichen Folgen für unsere Lieben, Familien, Sippen, Stämme, Völker – die Menschheit. Warum geht’s der so schlecht? Wir Männer wissen oft nicht, wo unser Platz ist – von der Aufgabe (nicht Resignation, sondern göttlichem Auftrag) ganz zu träumen. So werden wir Kleingeister, Rechthaber, hobbyfixierte Kniefiesler oder sonstwie Frustrierte – im traurigsten Fall dick und schlapp, im schlechtesten Amokläufer und/oder Selbstmörder oder gar Investmentbanker.

Aber wir sind Krieger. Geboren als Männer: welche zu werden. Was kriegst du, Bruder? Wofür, und warum? Was tust – und was unterlässt du – dafür? Wofür?

Bei meinem persönlichen „Polterabend“ (dem „Junggesellenabschied“) wurde kein Geschirr zertöppert. Ich verbrachte ruhige Stunden im Gartentipi meiner Schwester. Sie stellte mir solche Fragen. Hab ich schon erwähnt, wieviel Schwein ich habe?

Ich bin einen langen Weg gegangen und in Hoffnung, einen ebensolch wie (noch lieber) andersartig langen vor mir zu haben. Ich trage eine Krone, denn auch ich wurde gekrönt – das Reich, dem das gilt, ist des Herzens. Ideologen mögen mir verzeihen, dass ich schon mal verheiratet war (damals nur bürgerlich) – irren ist menschlich und resignieren auch… Ich war auch schon Freischwimmer, vergeblich beim Psychiater, von Maschinenpistolen im Anschlag bedroht, konfirmiert, Tippse, Journalist, am Abnippeln ohne Krankenschein, mit fünf Frauen parallel liiert, am Bahnhof Greifswald, zu Weihnachten glücklich allein daheim, nackt im Wiener Wald, eingesperrt in Linz, bevorschusst von Warner Brothers und Mitglied eines britischen Rugby-Clubs … man macht halt dies und das mit. Doch diesmal war alles meine Wahl. Und von den Großen begünstigt.

Andere laufen ein in den „Hafen der Ehe“. Kommen „unter die Haube“… (Deckel zu, Ruh‘?) Ich verlasse den Hafen, sein brackiges Wasser stehender Erinnerungen, rühre jetzt Ruder, reiße Riemen, setze Segel, laufe aus: steche in See – die empfängt mich unruhig. Meine Krone, die nur ein Stirnreif ist, lässt mir den Kopf frei – und ungeschützt. Ich trug Zöpfchen im Haupthaar: dass niemand meine, es sei ein Versehen. Wild schäumt die Gischt.

Wasser unterm Kiel, Wind ins Leinen, Rumpf geerdet und Geist befeuert: Monarchen des Herzens erweitern ihr Reich anders als herkömmliche Imperatoren. Zittert, Zombies! Soll und Haben werden jetzt umdefiniert. Ihr solltet – aber ihr habt nicht. Donar zürnt. Das geborstene Wort wird neu geschmiedet. Machtringe brechen. Der eine erst recht. Zeitenwende. Times they are a changing. Ich stand in einer Dagaz. Nicht allein. Einer Dagaz aus Ähren, einer liegenden Acht. Einer Streitaxt der Liebe.
Und habe Freunde – ohne die wär nichts, gar nichts gegangen. Des Freundes Freunde hören, was gelang. Mehr macht mehr. Zittert, Zombies. Wir sind mehr als wir scheinen.

Uns eint ein Traum, von dem jeder und jede nur einen Teil träumt. Aber wir erkennen einander. Riechen uns. Einer trommelt, eine spielt Flöte. Einer fängt an zu singen. Und dann: alle. Wir finden zusammen. Schritt für Schritt und Fest für Fest. Auch: Kampf für Kampf.

Ein Boot, das längst Fahrt aufnahm, hat jetzt die Flagge gehisst.

Eine Reaktion zu “Schwein gehabt…”

  1. MartinM


    (Als zustimmender Kommentar zu verstehen.)

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