Eibensang

Raunen Runen Rechten Rat?

Beachtet man die Schreibweise, wird obiger Titel zu einer ganz bitterbösen Frage. Sie so zu stellen – und nicht minder böse zu beantworten aber erscheint mir beim „Reizthema Runen“ ebenso bitter notwendig!

Vorab ein Wort zu Runenbüchern:

Die meisten behandeln Runen als ein in sich geschlossenes, quasi isolierbares Thema. Das könnte nun beinahe so sinnvoll sein wie ein Handbuch über den Ottomotor. Blöd nur, wenn es – um im Vergleich zu bleiben – a) zahllose Handbücher über den Motor gibt, aber b) nirgends etwas über das restliche Automobil und c) schon gar nix über Verkehrsregeln.

Die allermeisten esoterischen Runenbücher sind freilich schon deswegen unbrauchbar, weil ihre Autoren entweder keinerlei nachprüfbare Quellenangaben machen – oder aber gezielt in die Irre führen: wie z.B. Edred Thorsson, der die „Runengymnastik“ Marbys (der natürlich nicht genannt wird) mit skandinavischen Begriffen wie „Stadha“ und „Stödhur“ versieht. Davon wird der militaristisch-nationalistische Tinnef zwar keinen Deut germanischer… aber es soll wohl so aussehen. Und das macht einen Thorsson etwas gefährlicher als man als unbedarfter Leser ahnen mag.

Ein anderer populärer Autor, Jan Fries, verstreut in seinem Runenbuch „Helrunar“ Zitate von Aleister Crowley, ohne diese überhaupt nur als Zitate kenntlich zu machen – geschweige denn aufzuzeigen, wer das war. (Natürlich bleibt so wie so die Frage offen, was „Weisheiten“ eines schwarzmagischen Krötenkreuzigers aus dem 19. Jh. in einem Buch über Runen zu suchen haben…)
Was mich vor allem aber ärgert an sowas: Was mag noch alles in derartigen Texten „verbaut“ sein, das ich zufällig nicht erkenne?

Freya Aswynn wiederum verspricht im Untertitel ihres Bestsellers „Die Blätter von Yggdrasil“ neben Runen auch etwas über „weibliche Mysterien“ zu vermitteln. Die halbe Seite, die die Autorin dann diesem Thema widmet, sagt nicht viel mehr, als dass es sowas (auch in der nordischen Mythologie) gäbe. Na, wer hätte das gedacht! Dankeschön.

Was gibt es noch? Jede Menge feisten Schwachsinns! Beliebige Beispiele: Außer einem Knallkopf, der die Runenreihe des Älteren Futhark mit Uruz beginnen lässt (vermutlich, weil er Fehu nicht kapiert), stösst man immer noch auf Autoren, die das ahistorische „Armanen-Futhork“ unkommentiert mit auflisten (Igor Warneck u.a.) – ohne jeden Hinweis, dass es sich dabei um das „völkische“ Konstrukt des Rassisten und Nazi-Wegbereiters Guido „von“ List handelt…

Da muss man sich schon fast freuen über einen wie Blum, der zwar kompletten Eso-Müll faselt (und z.B. eine 25. Rune mit einbaut, das „Unwissbare“, dessen Herkunft – aus Eso-Kreisen der USA Mitte 20. Jh. – er freilich unterschlägt) – aber wenigstens keine ariosophischen Thesen mit hineingewoben hat, oder solchen aufsitzt.

Orakel

Viele Menschen sehen in Runen nur ein weiteres „Orakelsystem“ -und wie jedes in sich geschlossene magische System „funktioniert“ natürlich auch dieses (oder jenes: z.B. Münzenwerfen – Kopf oder Zahl – ist auch so ein System).

Sind Runen noch mehr oder minder germanischen Kulturen entnommen / entlehnt, so ist es das Runenorakel nicht mehr: Es gibt keinen einzigen stichhaltigen Hinweis darauf, dass in altgermanischen Kulturen mit Runen Divination betrieben wurde.

Natürlich kann man sie so verwenden. Man mag auch einen Kugelschreiber oder eine Bambusflöte dazu verwenden, sich am Po zu kratzen. (Will sagen: es muss nicht schaden – nur gibt’s für den erzielten Zweck vielleicht bessere Werkzeuge.) Nicht nur wegen der – vergleichsweise harschen oder drastischen – Art der Runen, zu „antworten“, empfehle ich Orakelfreunden eher, zum Tarot, Pendel (oder zu besagter Münze, falls zur Hand:-) zu greifen. Runen entstammen germanischer Kultur und „reagieren“ entsprechend „rücksichtslos“.

Und das obendrein oft missverständlich. Denn die pragmatisch-konsequente Denkweise, die ich als germanisch empfinde, unterscheidet sich erheblich von der, die wir in dieser Zeit und Welt alle sozusagen mit der Muttermilch (oder deren Surrogatsäften) aufgesogen haben.

Wer nicht (z.B. als Ásatrú) mit germanischen Wertekategorien vertraut ist, dem sind Missverständnisse bei der Runenwurf-„Deutung“ vorprogrammiert (auch harmlose -wie die beim Orakeln weithin unbekannte oder übersehene Konsequenz daraus, dass die vorchristlichen Germanen einen Zukunftsbegriff in unserem linearen Sinne gar nicht kannten).

Es sind sehr eigenwillige Götter, die hinter den Runen stehen – und, glaubt mir: Es ist eben nicht „alles eins“ oder „alles gleich“, was sich an göttlicher Kraft hinter dem Sichtbaren tummelt. Eine Kriegsgöttin z.B. ist keine liebe Fee, und der Rat beider zu ein- und derselben Sache wird erheblich differieren. Woher aber weißt du, wen du fragst? Und wer dir grad antwortet?

KENNST du die Runen? Bist du im Bunde – oder vertraut – mit den Kräften hinter ihnen? Also: Greife lieber zum Tarot. (Was ich ganz friedlich, aber ernst all jenen rate, die gerne mal orakeln, sich aber mit germanischen Gottheiten und germanischer Kultur nicht inniger und langfristig befassen mögen. 🙂

Populäre Irrwege

Vor den verbreitetsten will ich hier ausdrücklich warnen: in erster Linie vor dem heute immer noch allzu populären sog. „18er“, auch „Armanen-Futhork“ genannten System, das keine germanische Wurzel hat, sondern anfangs des 20. Jh. von Guido „von“ List, einem selbstgeadelten Nazivordenker, „offenbarungsartig“ erdacht wurde. List dichtete schlicht und ergreifend jedem der 18 überlieferten Runenrätsel-Versen aus der Edda eine ihm beliebende Rune an, wozu er das Jüngere Futhark – das Runensystem der historischen Wikinger – entsprechend fledderte und zum „Futhork“ zerbog (es geht hier nicht um Buchstaben, sondern Inhalte). Dieses „18er Futhork“ ist dank blauäugiger Esoterik bis heute weit verbreitet.

Die meisten Abschreiber, Nachplapperer und Nachbeter von List und dessen ideologischen Erben ignorieren dabei geflissentlich, dass genau dieses 18er-Konstrukt, das heute in so vielen still schwelgenden Esobüchlein als Orakelset-Spielchen samt Entspannungsyoga angepriesen wird, zum esoterischen Fundus jener Volksverräter und organisierten Massenmörder gehörte, die (und deren ebenfalls geistlose und kulturfeindliche Erben) uns bis heute die – nicht nur esobärmliche, sondern nach wie vor verdächtig nach Zyklon B stinkende – Mär vom „arischen Blut“ und der „reinen nordischen Rasse“ als germanisch andrehen wollen.

Woraus die Warnung besteht? Wer mit einem magischen System arbeitet, führt dessen Quellen auf diesem Wege Energie zu. Das gilt auch für das LISTige „Runensystem“ der ehemaligen Mordfabrik Deutschland. List selbst lesend zur Kenntnis zu nehmen (und entsprechende Schmöker dann ihrer vornehmsten Aufgabe, nämlich dem Begradigen arg schiefstehender Großmöbel, zuzuführen), mag ja noch einfach anmuten. Das Problem ist jedoch, dass (wie bei Lebensmitteln) nicht überall „Gift“ draufsteht, wo durchaus eins drin ist. Da im Eso-Bereich offenbar seit Generationen ein Depp vom andern abschreibt und Quellenangaben so unüblich sind wie auch nur der Versuch sachlich-kritischer Recherche, verbreiten sich dort vor allem Dummheiten am besten.

Typisches Beispiel ist das mittlerweile in fast jedem Runenbuch propagierte „Runenstellen“ oder „Runenyoga“ (das Nachstellen von Runenformen mit Körper oder Geste). Die Wurzeln solcher Turnerei liegen jedoch nicht bei alten Germanen, sondern in der Neuzeit: Militärverliebte Nationalisten waren es, die ihre Leibesertüchtigungen mit mythologisch-magischem Gepränge aufzupeppen suchten. Wer will sich in solcherlei „Tradition“ stellen?

Das Runenlesen ist im günstigen Fall wirkungslos und schlimmstenfalls vergleichbar mit der Wirkung von Starkstromanschlüssen. Wer ahnungs- und heillos damit herumfuhrwerkt, endet u.U. wie Hitler und Himmler (nur bei weitem weniger prominent). Für Uneingeweihte: Hitler & Himmler waren die Jungs, die mit der Fackel in der Hand nachgucken gingen, ob die germanische Mythologie nicht einen für ihre Propagandamaschinerie tauglichen Motor abgebe (der Tank war voll). Und dummerweise traf das Ergebnis nicht nur die beiden Genannten, sondern Millionen Menschen in ganz Europa – und darüber hinaus.

9 Reaktionen zu “Raunen Runen Rechten Rat?”

  1. Nachtfalke

    Sehr gut, ehrlich und vor allem direkt geschrieben 😉
    Gefällt mir!
    Gruß,
    Nachtfalke

  2. Erinn

    Hm, gibt es denn überhaupt sinnvolle Literatur zum Thema, die Du empfehlen könntest?

  3. Emma

    Deine Sendung über die Runen hat okto dankenswerterweise dreimal (oder öfter)gesendet, sodass es mir möglich schien, die ernsthaftigkeit deines zugangs zu glauben.
    ich habe sofort das büchlein von reichart zur hand genommen und zufrieden festgestellt, dass er guido list nicht zitiert.
    danke für die ausführungen! also, wann sind workshops – und wo?

  4. Kraehe

    Interessant, dass Du hier auflistest was alles Quatsch ist. Sehr hilfreich wäre es aber noch gewesen, wenn Du auch den einen oder anderen Autor oder Buch erwähnt hättest, was brauchbar ist.

  5. Duke

    @Kraehe: Klaus Düwel („Runenkunde“), den ich in meinen Vorträgen empfehle, ist wissenschaftlich seriös und informiert auf aktuellem Forschungsstand über die historischen Funde. Im Eso-Bereich hingegen gibt’s leider überhaupt nix Stubenreines.

  6. Vetch

    Hehe, ich hab auch mal mit Runen rummachen wollen. Mein erstes Buch – mit Runen aus tropischen Hölzern (garantiert öko!) – war von einem Ami. Faselschwurbel. Ich glaub, das war der Blum. Das landete sehr schnell aufm Flohmarkt. Dann aus der Bib was von diesem Thorsson, das mir zu umständlich und zu … zu viel war. Und zu mackerhaft. Und die Bilder von ihm in voller Montur aufm Berg haben mich auch abgeschreckt.
    Dann natürlich, auch weil ich frauenbewegt bin, Freyja A. Mit dem „kauf mich“ in Runenschrift aufm Cover. Wie subtil.
    Genau, wie du schreibst. Meine innere Feminstin hat auch das Buch sofort wieder aussortiert.
    Dann hab ich nach was Seriösem gesucht und fand nichts als die „Runenkunde“. Davon desillusioniert hab ich die Runen weggepackt. ich bin derweil echt gut mit’m Tarot. (In die Zukunft guck ich damit allerdings auch nicht.)

    Die Tropenhölzerrunen hab ich noch. Gefärbt inzwischen. Ich mag sie. Ich mag sie wirklich. Sie liegen seit vielen Jahren ungestört in ihrem Holzkästchen.

    Was ich von dir so sehe, das gefällt mir auch sehr. Hab wg. deines „Peace-Zeichen“ Videos jetzt wieder das Band mit dem silbernen Algiz um den Hals, das mir vor vielen Jahren – warum auch immer – ein Typ geschenkt hat. Ich dachte, das wär Zisa oder so, Z, Schutzrune.
    Das mit dem „Zauber des Augenblicks“ DAS gefällt mir! Hier&Jetzt, Wachheit. So wird der Anhänger zu einem Zeiger, der in die Wirklichkeit – hehe, nach Kohlenstoffhausen – weist.
    Danke an den Typen, der sie mir geschenkt hat. Und danke dir. =)

  7. Veleda Alantia

    Toller Artikel Duke 🙂 Ich mag deine Art mit den Runen zu arbeiten und zu leben und zieh auch für mich daraus neue Impulse. Danke Dir 🙂

  8. Wunjo

    Hallo,
    ich hab mal ein paar Fragen und hoffe sie werden hier noch beantwortet – denn die meisten Beiträge haben ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel. 😉

    Also bzgl. der sog. „Runengymnastik“…
    Der „militaristisch-nationalistische Tinnef“ der hier als Ursprung der Runenstellungen genannt bzw. die „Militärverliebten Nationalisten …“ usw. die damit angefangen haben sollen – wer genau ist damit gemeint? Gabs das wirklich im damaligen Militär in Deutschland? Also mir gehts jetzt nicht um normale Gymnastik-Übungen wie man sie aus dem Sportunterreicht kennt, sondern nur um RUNENgymnastik – also das gezielte Stellen von Runen um so die jeweiligen „Runenkräfte/ströme“ (kosmische Feinkraftwellen?) aufzunehmen.

    Ich dachte bislang das dies tatsächlich auf F. B. Marby zurückzuführen ist. Er rühmte sich ja bis in die 60er Jahre noch damit, das ER der alleinige Erfinder der Runengymnastik gewesen sei. Ich kenne allerdings auch nur einen kleinen Teil seiner Bücher.
    S. A. Kummer’s erste Runenstellung (= die Is-/“Ich“-Rune) ist der Mensch in aufrechter Haltung und wurde von Kummer immer mit der militärischen Grundstellung verglichen (straffe Haltung, Fersen geschlossen, Gesicht nach Norden…) – sonst findet man da allerdings keine weiteren Hinweise zum Militär und mal abgesehen von den Schülern von Marby und Kummer selbst („Runa“-Schule, Dresden) sind mir sonst keine (auch keine militärischen) Gruppierungen bekannt die im großen Stil Runen gestellt hätten…

    Dem widerspricht auch, dass 1934 in einem Brief von K. M. Wiligut an H. Himmler die beiden Runengymnastiker denunziert wurden. Wiligut beschuldigt da Kummer und Marby einen „Missbrauch der Runen für Gymnastik“ zu betreiben und „daß die Runenkunde in einer grotesken Art lächerlich gemacht wird“. Abschließend seine Bitte an Himmler, dass „derlei geschäftliche Unternehmungen gewissenloser Runenkenner […] und deren Treiben […] Einhalt zu gebieten (sei)“. Dieser Brief war auch der Auslöser dafür das Marby später für lange Zeit im KZ Dachau landete und das von der NSDAP die Runenbücher Kummer’s verboten wurden.

    Also kann das Stellen von Runen ja höchstens bis zu diesem Zeitraum im Militär geübt worden sein. Wäre zumindestens etwas seltsam wenn Himmler dem einen seine Runengynmastik verbietet – aber die Soldaten weiterhin eine Rune nach der anderen stellen und so Runenkraftflüsse aufnehmen und da herum schwingen…

    Also ich würde mich aufjedenfall über ein paar nähere Infos darüber freuen! 🙂

    Danke schonmal!

  9. Duke

    Mit „militaristisch“ meinte ich den militärische Werte (das „Soldatische“, das nationalistisch „Wehrhafte“) verherrlichenden und entsprechenden Kategorien verhafteten (Un-)Geist – nicht etwaige konkrete Gebräuche oder Gepflogenheiten innerhalb von Militärbetrieben. Dass „Runenstellen“ – wie überhaupt das ganze okkulte Gedöns um angeblich „Germanisches“ – innerhalb des Nationalsozialismus selbst umstritten war (und erst nach der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands zunehmend damit gleichgesetzt wurde), ändert nichts an meinem Urteil darüber.

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