Eibensang

„Odin“

Solo-Improvisation
Wasserspiele am Werbellinsee 1994

Die Spontaneinlage ergab sich durch wetterbedingte Wartezeit. An die 1.500 Zuschauer waren erschienen, um den Performances rund um die „Wasserspiele“ beizuwohnen -dann verzögerten heftige Regengüsse den Beginn der Aufführung um Stunden. Als es endlich aufklarte, die Technik-Crew aber noch nicht wagte, ihre empfindliche Anlage von den Planen zu entblößen -stand ich unverrichteter Dinge an einem Baum herum: natürlich schon gewandet wie Gandalf der Graue (darunter Body Painting für den späteren Darstellungsverlauf), mit runenberitztem Wanderstab aus Privatbeständen.

Alsbald umringte mich eine größer werdende Schar Kinder -die mich tatsächlich erstmal mit einer „Statue“ verwechseln wollten: obwohl ich keinerlei Anstalten gemacht hatte, irgendein „freeze“ zu markieren. Als ich mich etwas deutlicher bewegte -hier den Fuß verschob, dann mal den Stab von der einen in die andere Hand nahm, in eine andere Richtung schaute usw. -war den Kindern der Gedanke, es könne sich bei mir um einen lebenden Darsteller handeln, immer noch komplett fern und sozusagen naturfremd: Stattdessen stritten sie sich nun darüber, wie man einen „solchen Roboter“ baue und wie meine innere Mechanik wohl funktioniere, die sie für „ferngesteuert“ hielten.

Während die Kinder sich nicht trauten, mich direkt anzusprechen, taten dies einige Erwachsene. Ich wiederum wollte in meiner Rolle bleiben, da ich ja nicht wusste, wann die Show nun beginnen würde: Da es nicht mehr regnete, konnte dies jede Minute der Fall sein. Und natürlich wäre es mir ohnedies zu blöd gewesen, Fragern verbal zu erklären, dass ich Schauspieler bin und sogleich hier etwas aufzuführen hatte.

Den Vogel schoss dann eine kleinere Frau mittleren Alters ab. Sie schlich mit hängenden Schultern bis zu mir heran, sah mir von unten lange in die Augen und fragte dann:
„Können Sie mir sagen, was Sie hier darstellen?“

Ob ihr wirklich geholfen gewesen wäre, wenn ich ihr geantwortet hätte, dass ich hier engagiert war, zuerst den Gott Odin, dann ein vogelartiges Untier, dann einen Elfen -und später, in der Inszenierung danach, noch einen konservativen Ehemann darzustellen?

„Also nichts.“ stellte die Frau fest: mit einer finalen Bitterkeit, als sei sie meine Angestellte und ich hätte ihr eben den Urlaubsantritt verweigert. Brüsk drehte sie sich um und schlich gebeugt von dannen.

Seit meinen Pantomime-Anfängen 1980 hatte ich nicht mehr „unsichtbares Theater“ gespielt. Damals aber hatte ich es, unter Anleitung meines lieben Lehrers Bernd Pfauth, absichtlich getan … Und 14 Jahre später ganz bestimmt nicht damit gerechnet, dass die gleiche Übung gelingen kann, selbst wenn man ausstaffiert ist wie für ein Fantasy-Abenteuer.

Einen Kommentar schreiben

Html wird rausgefiltert, aber Du kannst Textile verwenden.

Copyright © 2024 by: Eibensang • Template by: BlogPimp Lizenz: Creativ Commens BY-NC-SA.