Eibensang

Lauter als der Schall

Es ist, wie es ist. Die Skandale nach der Wahl – BMW kauft uns eine Regierung, Merkel möchte nicht abgehört werden wie alle anderen Deutschen – sind offenbar keine: Diese Kanzlerin hat eine fette Mehrheit. Trotz allem oder gar wegen? Was die umfassende Überwachung ganzer Nationen durch die ‚merikanische NSA betrifft, so habe ich den Eindruck, dass die Tragweite der Sache zu vielen Menschen hierzulande überhaupt nicht durchdringt. Spreche ich Leute in etwa meines Alters (50+) darauf an, so regen die sich sofort über Google, Facebook und Twitter auf – je weniger sie damit zu tun haben, desto. Denen macht das Internet mehr Angst als der Umstand, auch und gerade ihre Kontodaten, Telefonverbindungen und Bewegungsprofile totalüberwacht zu wissen: von einer paranoiden Staatenvereinigung noch dazu. Was heißt „wissen“? Fast scheint es mir, sie glauben das einfach nicht. Die Bedrohung ist unsichtbarer noch als Radioaktivität. Zu abstrakt, um Gefühle zu erregen. Die können offenbar nirgends andocken.

Und was unsere so genannte Regierung an Gesetzen beschloss und weiter beschließen wird, interessiert eh nur verschwindend geringe Minderheiten, offenbar. Geht alles unter im stumpf durchstampften Überlebensalltag zwischen grellen Reizimpulsen und irrlichternden Sorgen ohne erkannten Ursachen-Zusammenhang, dafür in bleischwerem Tablettenschlaf. Ich komm mir vor wie in Zombiehausen.

Und hinter jeder zweiten Lebensentwurf-Kulisse, hinter jeder dritten Geht-schon-klar-Maske das mehr oder minder nackte Grauen. Krankheit, Depression, Angst, Einsamkeit, Verzweiflung. Alles eingebunden in den ständigen Kampf ums Geld: die kleinen Scheine und das Hartgeld, wie es uns allen durch die Finger fließt, und den Rest schneidet man uns aus den Rippen. Talentierte Menschen, die sich nichts zutrauen, zerrieben zwischen Arbeitsbedingungen, die ekelhaft genannt werden können, oder Behördendrangsal, das noch eine Ecke demütigender sein muss. Die Bürokratie unserer Tage ist der wahre Terrorismus. Er lebt von der Angst seiner Lakaien vor dem Regelverstoß. „Schlimmer geht immer“. Woher Hoffnung schöpfen? Wo Mut und Zuversicht tanken? Wem vertrauen?

Zum Teil rabiat schlechte Trivialautoren haben diese Welt vorausgesehen – zum Spaß. Science-Fiction-Taschenbücher meiner Kindheit und Jugend (60er, 70er Jahre – ich las, wie sich’s ergab, vor allem amerikanische Autoren aus plusminus der Generation meines Vaters) enthielten gern mal solche dunklen Szenarien: die heute unser Lebensalltag sind, nur dass die Autos nicht fliegen, und schon gar nicht zu Mond und Mars (sondern höchstens aus der Kurve). Die Venus war eh nur selten Thema…

Ich kann meine Träume nicht vergessen. Ich habe sie alle – die meisten, die wichtigsten jedenphalls – durch die Zeiten getragen und verwandelt, sie brauchten öfter mal neue Garderobe oder Rüstungen und nicht selten spielten sie Schmetterling aus Raupe… will sagen: Ich hielt nie am Äußeren meiner Träume fest, aber umso mehr an ihrer Essenz. Manch einer, den ich, weil er schal und welk geworden schien, in die Tonne trat, stieg umso phoenixhafter wieder hervor – der eine früher, der andere später: in neuem Gewand, der veränderten Umgebung angepasst – diese immer überstrahlend, wie es Träume nun mal tun müssen, die etwas auf sich halten. Ich schulde ihnen was, ebenso wie einigen Menschen, die ich traf – denn beide retteten mich, wieder und wieder: die Träume wie die Menschen.

Ich habe ein seltsames Deja vú gerade. Die Gitarren können nicht laut genug sein. Wieder und abermals füllen sie das Loch in meinem Kopf, der wieder und abermals das Unsägliche – und mal wieder Unsagbare – nicht aushält sonst. Was ist los? Wieder stehe ich wie vor einer Wand der Unmöglichkeiten. Ich habe alle, alle Probleme, die ich als Pubertierender hatte, längst gelöst und diese Erlösungen eine nach der anderen als reale Triumphe in die große, satt triefende und jubelnde, leidende, lachende und liebes- und geschenkerfüllte Feier meines reifen Lebens eingewoben: das ich für KEINS auf der ganzen Welt (oder aller neun oder neunhundertneunundneuzig Zigbrilliarden Welten) eintauschen möchte. Ich bin gottseidank kein Rockstar, aber lebe geradezu – allen großenseidank – unversehens wie einer (was sich auch „einfach so“ ergab) – dem Pleitegeier, auf dem ich reite wie auf einem fliegenden Feuerpferd, zum Trotz und zum Wiehern. Dabei nähre ich meine Seele von Transzendenzen, die ich als Teenager kaum ahnte (obzwar ich sie vorausroch – nur deuten konnt‘ ich’s halt nicht). Weshalb müssen die Gitarren auf einmal wieder laut sein?

Ich halte dieses Zombiehausen nicht aus. Ich sehe abermals Mauern, neue alte Mauern, zum Niederreißen. Ich habe, anders als damals, eine Rose in der Hand. Von der das Blut tropft. Ich halte sie wohl zu fest. Schon fast gewohnt, der Schmerz.

Dafür brauch ich mich nicht ritzen wie andere 😉 junge Leuts, um noch was zu spüren. Ist doch schon was. Dabei fühlt sich mein Herz gesünder an als je zuvor. Es ist verbunden mit allen guten Kräften, die ich je traf – Menschen, Tieren, Göttinnen – und sonstwas für „Wesenheiten“. Ich brauche diese Verbindungen: tagnächtlich. Die sichtbare Realität – ganz besonders die, die wir dafür halten sollen laut Mega Media Mania – beleidigt meine Augen, meine Nase, meine Ohren… all meine Sinne.

Das Gitarrengedröhn hilft nur noch bedingt. Ich würze es schon mit Worten. Thanks, Lou, old leader – ich lernte auch von dir. Habe deine Musik – anlässlich deines plötzlichen Todes – einer 15jährigen Kollegin vorgespielt, und da die Geschmack und Stil hat, war sie sogleich begeistert. Es pflanzt sich fort.

Hey, ihr Lebenden. Wisst ihr was. Wir treffen uns auf der Lichtung.

2 Reaktionen zu “Lauter als der Schall”

  1. AndiStadl

    Bis dann. Und, wir werden wieder und wie immer wissen, wofür wir da stehen!

    *reiche dir die Hand*

  2. Dee

    *Hand mitreich

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