Eibensang

Die Wut des Liebenden (II)

Niemand hat mir je einen Rosengarten versprochen. Aber ich will immer noch einen draus machen. Aus meinem ganzen verdammten Saustall. Hey-ho, meine grad wild durcheinander wuselnden Persönlichkeitsanteile! Singt mit mir: Ho-i-ho -und ne Buddel voll Rumms. Naja: Wein tut’s auch, heute. „Lass uns mehr wagen, als wir können…“ Glaube ist eine hartnäckige Hoffnung, solange Liebe im Spiel ist. Oder sie auf demselben steht.

„Der Weg erscheint noch ewig…“ -nur, wenn er das nicht mehr tut, ist er am Ende. HamSe nich‘, hamSe nich‘ noch einen Konjunktiv für mich? (Frei nach Evelyn Künnecke – „oft kopiert, nie erreicht“ stand auf der Langspielplatte, die mal in meine Hände fiel, von der Chanteuse). Meine Großtante, eine klassische – aber umso einzigartigere – alte Jungfer, hat das immer gesungen, bei fast jeder Gelegenheit: „HamSe nich’… ’nen Mann für mich?“ Ich war noch ein kleiner Junge.

„Nur die Liebe lässt uns leben“, gröhlte mein rabiater Onkel (der ältere Bruder meines Vaters) postpotent in seiner nicht mehr ganz so rabiaten Spätzeit, wenn er – lang nach dem Krieg und sonstigen zernichteten Hoffnungen seiner heillosen Generation – „auf Brautschau“ ging in seinem kleinen Auto. Ein „DAF“ war das, glaub ich. Ob er da noch oder wieder verheiratet war (der rabiate Onkel, nicht sein trabi-ähnliches Töff 😉 ), weiß ich nicht – ist auch völlig schnurz. Eine seiner „abgelegten Flammen“ hat er, nachdem meine Mutter es nach 30 Jahren so genannter Ehe doch noch überraschend schaffte, sich heilsam scheiden zu lassen, meinem ob dieser Entwicklung recht verdutzten Dad zugeschanzt. Der schnell heiraten musste wieder, aus Steuergründen und so (nachdem der Scheidungsgrund, der ihm einen kompletten neuen Friseurladen erzockt oder erfickt oder erschmeichelt hatte oder alles zusammen, Reißaus genommen hatte: Geld macht sexy, aber nicht für länger als es reicht). Friede ihren Aschen – soweit Verstorbene betreffend, ‚türlich (die meisten der Genannten sind’s inzwischen, oder längst).

Der geneigte Leser und die (vielleicht ja ungeneigte) Leserin ahnen: Die mir in Kindheitstagen vermittelten Werte der Familie erwiesen sich als antastbare, leicht bezweifelbare. Tragfähig war das nicht so, was ich da mitbekam. Bin keineswegs am Jammern, Kinners! 🙂 Hab’s ja besser gemacht: das zumindest. Das mit den Menschen, und was so passiert und gärt dazwischen (was man unzufällig als das „Zwischenmenschliche“ bezeichnet). Hab ich nicht? Doch, hab ich. Ich bin mit einer Herzensspanierin verheiratet. (Ich liebe sie. Wennzwar nur mit „leeren schönen Worten“. Hab ich sonst was zu bieten? Offenbar nicht. Schade aber auch.) Ich verstehe, meinte ich, zumindest das Wesentliche all der wunderschönen Latino-Lieder, denen sie so laut schweigend lauschte immer… Ich verstehe die entscheidenden Worte. „Corazon“. Und sogar einen ganzen Satz: „Te quiero.“ Mein Lebtag – grad aber in meinem glücklichsten und aktuellen -noch aktuellen -Leben – war mir der immer der Wichtigste. Ist es noch. Ich weiß, was er bedeutet. Zugegeben: Mein Spanisch ist lausigst. Geblieben. Sicher einer meiner Fehler. Womöglich einer meiner zahlreichsten. Die Liste ist lang. Länger als die meiner Wortschätze: in heartshaft broken English und auf – unheilbar, weil mir heiligem – Deutsch. Wie kann man das nur mögen? Hab keine Wahl, Signora: bin’s.

Das Deutsche bellt ja, heißt es. Im Stolperrhythmus der Sprache, wo die Sil-ben schnattern, wo die Kon-so-nanten zackig um die Ecke knattern (rappte ich mit 26. RAM! ROM! Ruck zuck Roboter! Ratter knatter klapper zackig quer übern Schotter!:-))). Über all die Ecken und Kanten einer komplikatös pop-unfreundlichen Grammatik. Die so weich wird, ja erlöst gar: durch ein Wort mit L… Let it be? No! All you need…! Me myself I… always loved this (buarum… krimpatul…) sound. Soviele Lieder kann ich gar nicht singen, in meiner dement gewordenen Mutter Sprache, das Sieg-Heil-Gebell der Väter und ihrer Lehrer all zu übertönen – und ihrer mickermanisch nachgewachsenen HaSS-Erben noch und grad dazu!

Ich sang: We will rock you, Smoke on the Water, Honky Tonk Women, und manche mehr -auf Deutsch. Wir werden euch schaukeln, Rauchende Köpfe (aber Geist ist geil), Spelunkenhänger: „Ich traf ’ne Kneipen-Königin in Nürmbäärg – die war so blau, die hielt sich an der Theke fäääst. Sie gab mir’n Kuss, sie gab mir Börbon Wiski. Und ein Stock höha – gab sie mir den Rääst.“ Schrieb ich: mit nicht ganz 20. Ging aber zurück auf ein traumatisches Begegnungserlebnis, das mich als 16jähriger ereilt hatte auf Hamburgs Reeperbahn (sexfrei). Genau, Liebste: Dort, wo im Hafen – wie du mir verrietst 🙂 – die Fische und die Schiffe schlafen (Lassie Singers). Dich aber grüßt: Das letzte Biest am Himmel. Ohne Bargeld. Das letzte schöne Sternentier… Wer hält mich fest jetzt – in der Morgendämmerung?

Zurück zum Mainstream, zum Vertrauten, folks: Deep Purple’s Lyrics (Rauch aufm Wasser…) vom ihnen einst jäh ausgebrannten Studio (der öde Text stand doch seit je im Krasskonstrast zum gottgenialen Songriff, oder?) mussten einer poetisch wie pädagogisch wertvolleren steinzeitlichen Demokratie-Ode weichen, und auch Queens (Freddy Mercury’s) unsterbliche Hymne hab ich – aus ureitlen Gründen only – eher erweitert als verschmälert in meinen deutsch umgetexteten Versionen. Seeehr frei nach… ihr wisst schon, jeweils.

Hab nie soviel geerntet dafür, mir übers Rosenzüchten laue Gedanken machen zu können: für Gärten, die ich nie besaß. Überhaupt: liege ich ja nur auf der faulen Haut, nicht wahr? Nicht wahr – in der Tat nicht. Aber wurscht: im Ergebnis. Könnte es genauso gut tun. Wäre eigentlich einfacher. It’s the economy, stupid! Isn’t it? It is, it was, will be… forever? Maybe, baby. Te quiero! THIS IS forever. Who the fuck cares? Statt leere Worte zu erhirnen, von denen sich, zugegeben, niemand was „kaufen kann“, schon gar nicht, wen ich am liebsten überschüttete mit auch käuflichen Köstlichkeiten, die ich mir – uns – aber halt nicht hexen, geschwelge denn erkaufen kann, hätt‘ ich wohl lieber was erlernen sollen: längst schon. Vor Zeiten. Lange her – schon nicht mehr wahr. Herbst dräut – aufs Neue! Sturm kommt auf. Weht ihr mich fort, ihr Winde? Diesmal, endlich – ganz?

Was hab ich noch? Was bleibt mir übrig?

Corazon.

Ich habe ihr eine Marillenvilla versprochen.

Beharre drauf: dass das keiner meiner – zahlreichen, zahlreichsten oder auch zahllosestigsten – Fehler war. (Hamsterähnliche, nicht-allzu-gebildete Begeisterungswesen sind meine erbärmlich-armseligen, weil einzigen Zeugen. Grauohren haben sie, und Schreikrankheit – hier wie dort. Was soll aus ihnen werden? Bdu… und Uwes Tränen in der Suppe. Packt man sein Köfferchen allseits?)

Es kam und kommt aus corazon. Immer. Und leider: nur.

Hey, ihr so halbwegs noch über gebliebenen Wicca-Bekanntschaften mir leidlich bekannter Menschheit! Könnte mir nicht eine von euch mal eben eine – wie auch immer umwickelte (schwarz oder weiß: mir Ásatrú doch met-egal) – Athame ins corazon stechen?

Denn alles, was darin rumort und schmerzt, das stört gerade erheblich… meine Not-Wiedergeburt als Zombie. Ich will ja nur gefallen. DAS ist, ich weiß – aber was nützt’s? – der Fehler. Des Kardinals. Des – meines probeweisen Falls – frisch angezählten Dróttinns.

Rosengarten? Ich umschließ dich, Ranke, mit der entblößten blanken Hand. Greife zu, wie’s mir geziemt. Wie ich die Weiber griff und greife, auch. Komm, blute mich, du gnadenloser Dorn. Bist nicht mein Garten. Nur mein Schmerz. Lass mich dein Blühen riechen. Bin was ich bin – muss das nicht bleiben, um’s zu sein: muss niemand was beweisen. Kann schon noch werden, was ich noch nicht wurde. Auch: was sie mich lang schon heißen.

2 Reaktionen zu “Die Wut des Liebenden (II)”

  1. MartinM

    Spanisch ist eine wundervolle Sprache. Allerdings: ich beherrsche sie nicht. Vielleicht würde der Zauber der kastilischen Sprache wie dürren Staub zerinnen, wenn ich sie besser verstünde.
    Robert A. Heinlein, ein von mir sehr geschätzter Science-Fiction-Schreiber, schrob irgendwo sinngemäß, Spanisch sei eine Sprache, in der selbst banale Werbespots wie pure Poesie klingen würde. Zum Deutschen meinte er, dass Heine, Goethe, Rilke usw. geniale Dichter gewesen wären, die aber das Pech hatten, mit einer hässlichen Sprache geschlagen zu sein … Nun, Heinlein (der fließend Spanisch und Deutsch sprach) räumte in seinen Romanen radikal mit amerikanisch-provinziellen Vorurteilen auf, und war selbst nicht gegen Vorurteile gefeit – wobei seine Abneigung gegen das Deutsche kein Vorurteil im eigentlichen Sinne war – eher eine Abneigung gegen das Deutschtum, den deutschen Autoritärismus, an dem Heine usw. natürlich keinen Anteil hatte, aber sie sprachen und dichteten nun mal in der Sprache Hitlers. Und Spanisch – das war die Sprache der mexikanischen Anarchisten, oder der Lebenskünstler von Baja California, dem Gegenpol zur geballten Spießigkeit und Bigotterie von Kansas, wo Heinlein aufwuchs.

    Aber wie kam ich überhaupt auf Heinlein? Klar, über die spanische Sprache.
    Deutsch – nun, das moderne Hochdeutsch erscheint mir ein seltsamer Hybrid zu sein, mit (mehr oder weniger) norddeutscher Aussprache als „Norm“ (wer setzt so was?) und hochdeutscher, sprich: süd-deutscher Grammatik. (Wobei die „Härte“ in der Aussprache kein norddeutsches Erbstück sein kann, bei uns sag man „Leude“, wenn die Leute gemeint sind, usw. nicht ganz so weich wie die Sachsen, aber keine „deuttttsche Härrtte“. Aber das „End-g“ wie „ch“ ausgesprochen wird, dass ist eindeutig unsere Schuld – „Rundfluch über Hamburch“. Und es ist unzufällig, dass Dir das damals, mit 16, ausgerechnet auf St. Pauli, widerfuhr. Glaube mir, dieser Ort ist magisch – so sehr sich autoritätsgeile Kommunalpolitiker und geldgeile Kommerzhaie sich Mühen, diese Magie zu exorzieren!
    An die Bands, die Musiker, die einst hier ihre Karriere starteten, an die wird man sich noch erinnern, wenn die schick-sterilen Glas-Stahl-Bauten, die ihr Immobilienhaie und Gentrifizierungsraubritter da hinklotzt, wo ihr die Musikclubs und -Kneipen abgerissen und vertrieben habt, schon längst Scherben und Rost sind.
    Nicht an einem Ort, an dem die Überwachungskameras wieder abgebaut wurden – weil sie ein totaler und nicht mehr vertuschbarer Reinfall waren.
    Aber – aus dem Deutschen, wenn’s nicht ganz „normgerecht“ ist – lässt sich dichterisch viel machen.

    Dein Deutsch ist in meinen Ohren ganz schön österreichisch, lieber Duke, in der Wortwahl und in der Satzmelodie, meine ich, was bei fehlendem entsprechendem Akzent recht exotisch klingt – jedenfalls für mich. Für einen Dichter ist das, denke ich, ein Vorteil: so gerätst Du nicht so leicht in die Sprach-Klischee-Falle.
    Es ist einfach, einen Satz auf Englisch kurz und prägnant zu formulieren – wofür ich diese Sprache liebe.
    Auf Deutsch ist es eine Kunst, prägnant und präzise zu formulieren. Nicht nur, weil unsere Sprache doch recht sperrig ist, sondern auch, weil sie durch Generationen von Schwaflern und Laberern, von Menschen, die durch Sprache ihre Absichten und Ansichten verschleiern, durch Phrasendrescher verdorben.
    (Abschweif in die Lokalredaktion, zum „Bratwurstjournalismus“, wo für das „leibliche Wohl“ gesorgt ist, „der Wettergott ein Einsehen hatte“ (da wäre doch wohl ein Dankopfer fällig, was? Versäumen diese Trottel in der Lokalredaktion natürlich, und wundern sich dann über den verregneten Sommer!) , „das Tanzbein geschwungen wird“ – Klischees zum Zeilenschinden, die so üblich geworden sind, dass kaum noch jemandem die Zeilenschinderei auffällt. Oder dieser elende, „Sachlichkeit“ vortäuschen wollende, Nominalstil, nicht nur im Behördendeutsch! Abschweif Ende.)

    Und – danke für den Tipp! Ja, dem Hinweis, dass ein Dichter, ein Schreiber, ein Sänger niemandem etwas beweisen muss.
    Am wenigsten sich selbst! 😉

  2. AndiStadl

    CORAZON…
    oh, ja, das Einzige, das zählt, oder das Letzte? Ich weiß es nicht, aber weiß, dass wir keine Wahl haben, mein Bruder. Die Ratio ist brauchbar, um einen Fisch zu angeln, sei es im See, im Wildbach oder im Kühlregal, der Rest kommt von woanders her, von weiter innen und weiter unten. Diesen Rest kann man mit einem einzigen Wort beschreiben, das jeder kennt, aber kaum einer anzuwenden weiß: LEBEN.
    Mit Liebe, Verzweiflung, Freude, Wut und Trauer – auch wenn wir es in unserem Kopf vollziehen, ist das zuständige Organ eben nicht unser Großhirn (*ratter, ratter, Großcomputer*), sondern das, was uns vom Computer unterscheidet: CORAZON.

    Die Kraft der Sprache ist alles, was wir in unserer seltsam-befremdlichen Industriegesellschaft noch anwenden dürfen, ohne sofort bestraft zu werden. NOCH. Da fällt mir auch Reinhard Mey ein, der dichtete: ‚Freiheit ist das Einzige, das sich abnutzt, wenn man es nicht nutzt.‘

    Ja! Lass‘ uns sie nutzen, zweifle nicht, Bruder!

    Deine Kraft ist gut für alle, ob sie es nun merken oder nicht. Und auch egal, ob du es merkst oder nicht. Gib nicht auf, liebe und lebe für uns, die dich spüren können, in der Kraft, Wärme, und, selbstverständlich(!) manchmal auch Gewalt deiner Worte. Deiner deutschen Worte – wie gut! Was nützen mir die kraftvollsten oder auch wunderbarsten Worte, wenn ich sie nicht verstehen kann?

    Ich habe mich auch schon, tief durchwärmt, an gaelischen Worten erfreut und gelabt. Aber nur, weil sie mir eine damals innigst Geliebte vorgesungen hat. Geschrieben hätten sie mir nichts genützt.

    Schaffe weiterhin Worte auf deutsch, weil es keiner besser kann als du. Es ist das, was du tun kannst, um die Welt schöner, lebenswerter zu machen, und ich bin überzeugt, es ist das, was die Götter von dir erwarten und wollen und wobei sie dich immer unterstützen werden.

    Und, ja, d’accord mit MM:
    Ein Beweis ist nicht nötig, er ist immanent!

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