Eibensang

Die Wut der Liebenden (I)

Eine Neujahrsansprache von Fjölnir Eibensang
(oder: Wieso soll nur das Merkel eine halten dürfen)

Milliarden Menschen sind sich einig: Ohne Musik ist unsere Welt nicht zu ertragen. Und die Liebe schon gar nicht: die uns immer wieder herumbeutelt, heiß macht, weh tut, hoffen lässt, enttäuscht – und wieder und wieder von vorne beginnen lässt, nicht nur weil sie das Universum zusammenhält (wer interessiert sich schon für Universen), sondern den einzigen Wert darstellt, der garantiert, dass wir noch beim Müllruntertragen an etwas anderes denken können als lediglich stinkenden Unrat.

Die Lebensbedingungen auf diesem Planeten – genauer gesagt: in den Gesellschaften, die eine mitunter lebensfeindliche Natur durch eine nicht minder lebensfeindliche künstliche Umgebung ersetzt haben (hätte man das nicht besser machen können? Muss man schon mal fragen dürfen!) – werden allerdings gesteuert von Menschen, die weder von Musik noch von Liebe die geringste Ahnung haben. Schlimmer noch: Es steht zu befürchten, dass diese Einflussreichsten sich weder für das eine noch das andere überhaupt interessieren. Oh ja, sie hören auch irgendein Geschepper oder ein Gegeige, und vermutlich reiben auch sie ihre Haut und Geschlechtsorgane an denen von andern oder tauschen zuweilen Körperflüssigkeiten aus oder möchten das tun und halten ihre auf bestimmte Menschen fixierte Besitzgier für „Herzweh“ oder „Liebe“.

Es ist nicht so, dass meine Liebe besser wäre, bloß weil sich in meinem Kopf und Herzen deutlich mehr bewegt als auf meinem Konto. Der Unterschied liegt darin, dass ich meine Entscheidungen mehr nach Liebesgefühlen ausrichte als nach Heller und Cent. Und sauer bin ich, ständig damit konfrontiert zu werden, dass nur Letzteres gälte. Mal offen, mal verhohlen. Ich glaube, die Gewohnheit macht’s: Wer der Liebe folgt, glaubt irgendwann an sie – selbst wenn er oder sie, was wahrscheinlich ist, mit ihr auch seine Last hat. Für Geld gilt das gleiche. Sind die beiden Gegensätze? Quatsch. Sie haben nur wenig Gemeinsames. Geld beruht auf einer Idee des Tauschhandels, was Berechnungen nicht nur ermöglicht, sondern bedingt. Liebe belebt sich durch Austausch, im Gegensatz zu Geld vermehrt sie sich durch Teilung – doch jede ihr geltende Berechnung scheitert. Ich glaube gar: Wenn wir unglücklich lieben, liegt es oft daran, dass wir sie zu berechnen versuchen. Die Große (ich nenne sie Freyja: das heißt „Herrin“) lässt sich nicht kommandieren – schon gar nicht poesielos.

Geld ist Fair Play. Das ist das Gemeine daran. Es ist ein Zahlenspiel mit hundsrealen Folgen. Du kannst es berechnen, auflisten, und mitleidlos süffisant aufzeigen, warum einer, der sich abrackert, im Dreck liegt, während irgendein Börsenzocker-Hallodri in Saus und Braus schwelgt, obwohl oder weil er selbst seine Schwiegermutter meistbietend verkauft und verraten hat. Wie asozial Geld macht, sieht man jederzeit am Lächeln der Habenden, die noch und gerade nach Massakern zu lächeln vermögen. Wenn wirklich nichts anderes mehr gilt, dann gnade euch euer Gott, Christen. Von mir erwartet keine. Ich bin das Volk, und am Aufstehen. Okay – ich bin nur Duke Meyer. Aber dass „es reicht“, bin ich mir mit jeder Bäckersgehilfin einig, die mir mein (auch für sie überteuertes) Salzstangerl ins Sackerl (deutsch: Tüte) packt. Ihr Vielbesitzenden habt Angst, dass sie meine Verbündeten sind? Oder werden? Nicht die Tüten – die Bäckersgehilfinnen! Nun Jahr. Ihr liegt ganz richtig, ihr Herren von Null und Komma, ihr Könige des Planquadrats. Fürchtet das Volk! Es – nicht ihr – sorgte seit je für Veränderung. Ihr habt uns kartäscht und belogen seit Generationen, ihr habt uns verkauft und verraten, und ihr tut so, als gehörtet ihr nicht dazu. Das ist eure Wahl. Wir haben kein Mitleid mehr. Wenn ihr auf der anderen Seite stehen wollt – dann gnade euch Geld, der Herr des Scheins und Scheinens: euer flüchtiger Hurensohn von Gott. Wir werden euch das Salzstangerl in die Hinterpore schieben bis ihr blutet (damit auch ihr mal was FÜHLT) und dreckig dazu lachen. Ich vergieße ein Krokodilstränchen dazu: ernstgemeint. Die Bäckersgehilfin aber darf bei mir wohnen, wenn ihr sie verfolgt mit eurer PolizEU, und das ist auch ein Unterschied zwischen denen, die an die Liebe glauben oder ans Geld. Ihr Broker habt dann das Problem, dass ich meine Werte aus der Steinzeit habe, über die ich besser informiert bin – auch empirisch – als ihr über den DAX. Ich befinde mich auf der älteren und erfahreneren Seite der Menschheitsgeschichte. Ich habe die längere Erfolgsstory.

Wenn ihr den Strom abschaltet, verliere ich nur Facebook. Gestatten, dass ich grinse – und dabei meine Reißzähne entblöße. Wollt ihr mir im Dunkeln begegnen? Noch zu jeder hellen Mittagsbistrostunde lächle ich dir, Broker, in Begleitung deiner Gattin einen gepflegten Beziehungsstress ins Haus, der mit eurer Scheidung endet, Jungverdiener. Ich stand öfter barfuß auf Glühkohlen, aber mein Herz brannte heißer und tut es noch. Ich liebte mehr Frauen als du Pornos konsumiertest, und meine Erinnerungen sind nicht nur ehrbarer, sondern ästhetischer als deine Phantasien, und noch dazu real. Ich vergieße alljährlich mehr eigenen Schweiß und Blut als du fremdes Geld, und noch die randständigste meiner Gespielinnen genießt bei mir mehr Status als bei dir die einsame Ehefrau: was sämtliche Betroffenen ganz genau spüren, wenn ich lächle – und das trotz meiner schlechten Zähne. Mein Kapital ist evolutionär. Seit Männer regieren, wählten Frauen die Geldhand als Gatten – das bin nie ich – und den Traum als Kuckucksvater oder wenigstens Freudenbringer: Das bin ich. Mehr als deiner Frau oder auch Tochter Lover: Den Speer werfe ich über dein Geldhaus, und zum Loki gehen deine Finanzen, der Odins Bruder, aber nichtmal ein Satan ist. Denn ich achte dich nicht: Um meine Freundschaft zu erringen, müsstest du dich als Freund der Frauen und der Katzen erweisen. Ich bin Satyrs Erbe: seine nordische Variante in Mannsgestalt. Mich gebar Venus im Namen der Bärin, mich lehrte ein verspannter Sohn Odins, der mein junger Bruder hätte sein können. Meine Demut vor den Großen birgt mehr Macht als euer Glaube an alles, was ihr für groß haltet: Im Nachdenken bin ich geübter als ihr, was wetten! Im Fühlen sowieso. Im Reagieren auch: gut brutal und gerne. Mich erzog die Straße (um nicht „Gosse“ zu sagen: aus Respekt vor ihren Opfern). Ich bin kein Opfer, sondern eins gewesen. Und habe Glück gehabt. Ich habe überlebt. Mache weiter. Bei Ullr, bei Odin, bei Baduhenna! Mich lieben Große! Keine, die sich an Kreuze nageln lassen.

Keine Beleidigung gegen dich, Joschua: Ich weiß, du hattest was anderes vor. Hab’s hier nur mit deinen falschen Jüngern, und mit deinen verdammten Verrätern, alter Freund. Im Gegensatz zu dir kann ich ihnen schlecht vergeben. Du liebst deine Feinde? Ich versteh das nicht. Will nur auch sie verstehen – was nix mit Liebe zu tun hat, sondern Siegesabsichten. Frei nach Macchiavelli – der mich weniger beeindruckt als du, alter Armäo-Schwede. Ich kämpfe auch für dich! Hey, alter Wangen-Hinhalter! Geh in dich: Duke liebt dich, hihi! 🙂 Aber irgendwas muss uns ja unterscheiden – außer, mittlerweile, der lediglichen Figur. Bin ja kein Gottessohn – nur ein Sterblicher: Freyjas Liebling. Und stolz drauf. Es gibt keine Schilderungen über Folkwang, are there any? Große Sau! Dein Diener hört den Ruf, neigt sich vor der Macht, der ihm verliehenen: ergreift die Chance. Hab ich gelernt, oder ja?

Eins der größten Komplimente, das ich je von einer Sterblichen bekam, war dieses: „Um dich werden sich Odin und Freyja raufen!“ Das war natürlich übertrieben. Ich liebe grundsätzlich nur Frauen, die übertreiben. Mann ist ja eitel. Von denen bin ich nur einer. Aber eines Tages werde ich Folkwang beschreiben. Es ist völlig egal, ob ich da lüge. Es wird in den Herzen und Seelen von Leserinnen hängen bleiben, und es wird das verändern, was Snorri Sturluson, der christliche Skaldenlehrer, angestoßen hat. Tut mir nur einen Gefallen: Verhöhnt, köpft und hängt alle die, die aus meinen lebensfrohen Liebesgedanken irgendwelche Lehren machen wollen – dereinst und womöglich. Ich bin nur ein verkehrt sozialisierter Mann – einer, der seinen Schwanz gern in Weiber steckt, die aber dafür liebt, anstatt schlecht über sie zu reden. Ich spreche jede heilig, die mich so liebt. Ich kenne ihre Namen, ich achte ihre Specials, ich fühle mich erwählt und lasse mich von ihr – mannstypisch – manipulieren. In Grenzen, um die ich ringe – aber was soll’s. Du bist die Göttin. Ja, ich habe, rufe, bete mehrere an. Egal? Ist gar nichts!

Liebe hat mit Fair Play nichts zu tun. Sie bleibt – allen Untersuchungen, Statistiken, Erfahrungswerten zum Trotz – immer persönliches Schicksal: unser aller Mysterium. Sie entzieht sich dem Wollen, dem Bewusst-Sein: was einem, einer, bewusst werden kann… Und jede noch so kärgliche Melodie darüber ist mehr wert als tausend Worte: sage ich Wortemacher, Wortewender, Wortjonglierer. Argumentier mit mir, und ich werde kämpfen. Nach allen Regeln der Kunst, die ich durchaus liebe. Aber küss mich, wenn du mich überzeugen willst. Ich bin ein glücklich Verheirateter: Küss mich! Ich greif dir sanft unter die Wäsche dabei: immer interessiert an persönlichen Titten, oder noch intimeren Gefilden (seelisch wie körperlich).

Hey – was ist los? Küsst man nicht mehr auf Midgard? Tragt ihr nicht Pentagramme, oder Thorshämmer, gar? Seid ihr nicht die Vorhut? Der Veränderung aller Verhältnisse? Wie? Seid ihr nicht?

Ich muss dich enttäuschen, Priesterin von Avalon – oder vergleichbarer Träumereien. Ich träume auch. Aber von mehr, und von Tieferem. Bei mir floss Blut. Ich bin nachhaltig verheiratet, außerdem habe ich – neben einer leiblichen – eine Schwester, die den Namen verdient, und seit Jul 2010 einen Blutsbruder, der es schon länger war. Ich liebe meine Frau auch, weil sie mir treu ist: aber Treue definiert sich mir erst darüber, dass sie gern in meine Arme zurückkehrt, wenn ein anderer sie mit seiner Lust, seiner Persönlichkeit und seinem Sperma, seinem Geschick und seiner Nähe zum Juchzen gebracht hat. Ihr nennt solch einen Mann einen „Gehörnten“? Da sind wir uns lediglich in der Wortwahl einig: DER Gehörnte bin ich! „Merlin am I“! Ich bin Grün und Grau. Ich bin DAS LAND. Ewig bin ich, obwohl kein Gott: nur der Grashalm in IHRER Wiese. Aber ich ergrüne! Und ergraue! Immer wieder aufs Neue. Ich bin Freyjas Liebling. Der Gesandte ihrer Größe. Der Dorn der Rose. Küss mich. Ich liebe Brigh – die schönste, beste und größte Frau dieser Welt und Zeit. Wir sind ein Königspaar. Jeder Tratsch ist nur Staub unter den Hufen unserer Rösser. Das Leben wirbelt solchen auf. Wir schulden uns noch ein Reich. Ich habe Pläne – und eine Hand, die größer ist als jenes Königreich, das einst ein Dichter für ein Pferd einzutauschen empfahl. Die Sitte verbietet mir, von meinem Schwanz zu reden. Ich bin Duke Meyer, Fjölnir Eibensang. Goði der Nornirs Ætt. Vielleicht bringe ich’s zum Dróttinn, vielleicht nicht. Ist egal: Babs, Micha, Hunty, Jan, Joy, Martin, Svenkaranfrankeva you everyættbody… mein Leben für dein-eures, so wahr ich (dem einen oder anderen) Gott helfe. Hallo, Wups, Frili, Lucki Hood. Niemand von euch LeserInnen weiß, wovon ich grad rede: Ihr gestattet mir (das Verschweigen von) Intimitäten, ja? Danke. Ich euch auch.

Wir siegen. Im Namen der grünen Hügel, der weiß zerklüfteten Berge, und des ewigen Meeres. Ich ziehe mein Schwert, und die Klinge steht in Flammen. Im Namen der natürlichen Erdbeben und organisatorischen Unterlassungen, die unseren Öldurst zu Katastrophen machen, die wir unterschätzen, obwohl jeder Idiot sieht, dass schlickverklebte Flügel und Flossen nur schreckliches Unheil bedeuten können. Eine Minderheit einflussreicher Menschen verdient gigantisch viel Geld damit, und deswegen. Eine globale Mehrheit von Fischerfamilien geht bankrott daran, dass gerade mal drei (oder weniger) Prozent der weltweiten Fangflotten alle Meere leerfischen, um uns paar Deppen Thunfisch auf den Sushi-Teller zu hieven. Millionen Menschen verhungern daran und darüber, und die paar verzweifelten Piraten von Somalia sind nur das noch zuckende lebendige Symptom dieses organisierten Menschheitsverbrechens. Es ist nichtmal das einzige. Es ist nicht so, dass es nichts zu tun gäbe… Küss mich, Liebste. Wir müssen etwas unternehmen.

Wieso gibt’s auf Parties der Westwelt eigentlich immer noch mehr Buffets als Sex? Mehr zum Futtern als zum Anschmiegen, Anfassen?

Liegt’s an unserer Einstellung, womöglich? Sinnenlust wäre – rein ökologisch – leichter zu haben, und hinterließe weniger Schäden. Wer kommt heutzutage magenshungrig zu einer Party, einer Vernissage? Oder stürbe, wenn sie oder er nix in den Wanst bekäme beim Event? Wer ist denn hier zu füttern, und mit was?

Ich küsste lieber ein lebendiges Mädel, als dass ich mich futternd an totem Thunfisch verginge – der ausgerechnet meinetwegen keine Kinder mehr kriegen kann, weil auch die auf meinereiner Teller landen. Obwohl ich Bruder Thun, wie zu viele, zum Fressen gern habe.
Mein Wanst ist nicht das Problem. Die Erde wäre reich genug für alle. Selbst bei sieben Milliarden Menschenmündern, immer noch. Die Verteilung ist ungerecht, und das nicht etwa aus Versehen oder Unvermögen; die Methoden des Erbeutens sind verbrecherisch, weil zerstörerisch raubend. Sind andere Körperteile mein Problem? Nein, ich bin gesund und unkastriert -und bis jetzt nicht durch übermäßige Verbreitung meiner bescheidenen Gene aufgefallen. Und wohlgemerkt: „Das Mädel“ will ich nicht als „Programm“, im Sinne von „garantiert“ oder „selbstverständlich“. Ich will nur, dass sie ggf. ehrbar bleibt. Selbst wenn sie mich genossen hat. Und wir einander was zu sagen und zu geben hatten. Unabhängig davon, wer wir sind, woher wir kamen, und wohin und zu wem wir zurückgehen. Ich bin kein Kapitalist. Keiner, der „in Märkten“ denkt. Ich will nur einfach was erleben – das Mädel ggf. als kennenzulerndendes Gegenüber. Souverän, auf gleicher Augenhöhle 😀 . Wo mir noch ihr „Nein“ eine romantische Erinnerung verschaffte: an eine irisierende Begegnung, die halt noch Phantasie übriglässt. Die ja nicht immer ausgelebt werden müsste, um dennoch blühen zu können… Ich weiß schon: Das ist zu kompliziert für Zahlendenker. Zu „ineffektiv“ wahrscheinlich. Aber genau darum geht’s mir.

Aber wisst ihr was, Zähler. Ihr seid in unserer Welt. Nicht wir in eurer. Das meine ich mit „siegen“. Ihr habt – über euren Zahlen, Zählereien, durch euren Zahlenhokuspokus – Geld verloren. Euer Geld ist kaum noch unser Papier wert, auf das ihr es drucken lasst, damit wir das Gefühl haben, an eurem Scheißspiel beteiligt zu sein. Bald werdet ihr alles verlieren: nach euren Regeln. Wir stöhnen unter ihnen, aber gewinnen dennoch die Welt. Täglich neu. Erst jetzt wurde uns – über nacht – ein neues Jahr geboren. Ganz besonders uns… Bäckergehilfinnen. Wir leben. Indem wir lieben. Ja, bitte ein Salzstangerl. Und ich wette, die Gute reicht mir das Dingens, während sie dabei denkt: an ihre Liebe. Ihren Freund oder ihre Freundin. Oder den oder die – wer immer es halt „sein“ soll. Am End hab ich ein Hörnchen im Sackerl, statt des Salzstangerls. Ich pass ja auch nicht immer auf. Manchmal ist die Liebe größer als die Verpflichtung: selbst die kleine.

Eins, Übervielverdienende, haben wir Habenixen und Kriegnixnöcks gemeinsam: Wir erkennen einander am Schimmern unserer Augenwinkel. Was uns von euch, unter anderem, unterscheidet: Wir sind mehr. Viel mehr. SEHR viel mehr. Verlasst euch nicht darauf, dass wir unsereins nicht an Stammtischen treffen. Verräter? Habt ihr auch in euren Reihen – mehr als euch guttut. Denn die Front verläuft nicht symmetrisch. Das habt ihr selbst gesagt. Ihr habt das Geld. Ich ergreife das Wort. Wieviel Geld wäre euch das Wort wert? Keinen Penny, nicht wahr. Ihr habt es nie begriffen. Ihr könnt Kanonen bezahlen, und Medien, die das Volk (und seinen Geist) kartätschen. Ihr habt tausend Mittel und Millionen Büttel. Ich nur ein Wort. Wieviele Dichter habt ihr getötet, wieviele Kritikerinnen mundtot oder ganz tot gemacht? Wie oft tut ihr das immer wieder? Was hatten wir je – als Worte? Was fürchtet ihr? Ihr Mächtigen? Ihr Entscheider, Macher, Haber? Worte? Solch ein Gewicht haben wir? Trotz aller Propaganda? Trotz aller Konsumentenbetäubung, Ablenkung, Lüge und Unterschlagung? Trotz unserer technischen und logistischen Unterlegenheit? Interessant!

Ihr fürchtet, was wir haben. Was wir sind. So höret, ihr Geld- und Angsthaber. Hier ist eine letzte Einladung: gehört dazu. Reiht euch ein. Wir alle sind Menschen. Wir wurden – neben den Insekten, die anderen Regeln gehorchen – zu einer erfolgreichen Art, weil wir einander halfen. Reiht euch wieder ein. Wir könnten euch brauchen. Ihr seid fähig. Wir schaffen es aber auch ohne – zur Not: gegen – euch. Ich verzieh meinem Vater: Mein Ahn wurde zum Sohn, den ich in meinem Herzen trage. Sollte ich ihn je zeugen, wird er eure Werte vernichten. Und wenn er es nicht tut, sorge ich dafür – oder trage dazu bei, dass derlei geschieht. Denn ich bin Ahn all jener, die sich von mir beeinflussen lassen. Ich bin ranglos, ich weiß. Aber an manchem Lagerfeuer, an dem ich gar nicht zugegen bin, werden heute schon meine Lieder gesungen. Es kommt nicht drauf an, dass es meine sind. Die anderen, die oft besseren, schrieb meine Kollegin, die mich liebte. Es kommt allerdings drauf an, dass sie gesungen werden. Es sind alles nur Liebeslieder. Nicht alle sind nur romantisch. Gerade die meinen nicht.

Ich trage den Funken weiter. Ältere gaben ihn, Jüngere nehmen ihn auf. Ich bin nur ein Mittler. Einer von vielen. Ich „habe nichts“? Gute Götter! Wer oder was stürzte das römische Weltreich der Antike? War das irgendein Herrscher? Irgendein Habender? Oder waren das Umstände? Entwicklungen? Angefeuert womöglich: von einer Art – Idee? Die Welt verändert sich – unablässig. Kein Herrschender hat je dazu beigetragen. Hätten wir euch machen lassen, ihr Effizienzzähler – es gäbe nichtmal das Rad. Nichtmal, um unsereiner zu rädern. So ist das. All eure Macht verdankt ihr Ideen – die andere hatten. Denn Macht über andere ist keine Idee. Nur eine verbreitete Unart zuvieler Ideenloser. Eine evolutionäre Sackgasse. Nicht wegen euch kam die Menschheit je weiter, sondern trotz. Ihr könnt kaputtschlagen und kaufen, was heutzutage oft dasselbe ist. Ihr schafft nichts. Ihr wisst nicht, worum ihr handelt. Ihr verschiebt nur Angst. Es ist allein eure. Ihr könnt nichts benennen. Ihr entsagt der Schöpfung. Ihr beherrscht diese Welt als paranoide Tiere. Ihr seid eine Schande. Ihr solltet denken. Verantwortung übernehmen. Die Verhältnisse beim Namen nennen und verändern. Seid ihr Schimpansen? Dafür fehlen euch Haare. Und Greifklauen. Und, mit Verlaub, Charme. Euch fehlt jede Würde. Seid ihr nicht meinereiner? Gehören wir nicht zur selben Spezies? Wir könnten uns paaren! (Rein theoretisch… Man muss verdammt noch mal nicht alles tun, was ginge.)

Kommt raus aus der Sackgasse. Rettet die Schimpansen, und die Menschheit dazu. Und die Tiger, und die Schildkröten. All die Fische. Wir bräuchten nichtmal eine Arche. War die Erde je was anderes? Gehört sie nicht allen? Ich meine nicht nur uns Menschen. Wir sind doch nur Hüter – sollten welche sein. So zumindest hab ich den Auftrag interpretiert. Den Auftrag des großen leeren Alls, wo wir nicht sind noch sein können. Wir haben nur eine Erde. Einen ganzen Planeten. Mit 15 cm Humus (keine uns ernährende Erdschicht reicht tiefer). Wir Atmerinnen. Wir Liebenden. Wir Schwätzer. Wir Party Folk. Löst wenigstens BP auf. Soviel Öl – nur für Dollars. Esst ihr nicht gern Fisch? Wär es nicht schön, wenn sich der Thun wieder vermehrte? Vermehren könnte? Stellt euch vor: Es wäre Meer – und voller leckerer Fische! Muss dafür erst „Geist über den Wassern“ schweben? Ich bräuchte keinen Geist über Wassern. Mir reichte der lebender Menschlinge.

Am Anfang steht das Wort, oder wie war das? 🙂

Ihr wisst schon, warum ihr gerade uns Poeten nicht bezahlt. Wir kommen aber trotzdem durch. Es gibt mehr von uns, wisst ihr. Notfalls verkaufen wir Brötchen. Salzstangerl und so. Und bezahlen unsere Handyrechnungen. Und wir twittern. Notfalls in den Liebespausen. Eines Tages lief ein Tweet um die Welt, das sagte nur: #…

Es wird schneller gehen als früher. Wir sind die Liebenden, wir sind es gewohnt zu bluten, und wir bleiben unbeeindruckt von Fair Play.

Ihr solltet uns Musiker bezahlen, dass wir weiterspielen. Sonst müssen wir aufhören. Dann aber wird niemand mehr die Welt, die Gesellschaft, ertragen, wie sie gerade ist. Wollt ihr das? Wirklich? Riskieren?

5 Reaktionen zu “Die Wut der Liebenden (I)”

  1. MartinM

    Gute Ansprache!
    Besser als die Wahlkampfrede, die Kanzleuse Merkel hielt. Denn das war sie: Selbstdarstellung und Propaganda. Fast möchte man sich nach den bräsig-selbstgefälligen Reden Gerd Schröders oder nach den austauschbar-nichtssagenden, aber irgendwie dem Wohlfühl-Faktor seiner Fans entsprechenden Gesülze Old King Kohls – Sakralkönig der innerlichen deutschen Provinz zurücksehnen. Besonders widerlich fand ich es, wie diese Heuchlerin am Ende dem verstorbenen (und daher wehrlosen) Philosophen Karl Popper sozusagen das Wort im Munde herumdrehte. Denn das mit der „offenen Zukunft“ das hat deutlich anders gemeint. als die auf Optimistisch machende Kanzlerin.
    Traue ich mir zu, das zu beurteilen, denn es gehört zum wichtigsten, das ich von Popper lernte.
    „Die Zukunft ist offen“, das heiß: nichts ist determiniert,
    Nichts ist zwangsläufig. „Die Zukunft“, die gibt es gar nicht. Nur mögliche Entwicklungen. Nein, keine (ungeahnten) „Möglichkeiten“, keine Chancen, Frau Merkel. Sondern Unberechbarkeit. Unverhofft kommt oft.
    Popper leitete das aus der Quantenmechanik ab. Das müsste die Kanzlerin, als Physikerin, eigentlich verstehen. Als Politikerin missversteht sie es.
    Popper sagte, bisher habe man sich auch Wolken wie sehr komplexe Uhrwerke vorgestellt. Aber tatsächlich sind auch Uhrwerke nur scheinbar sehr geordnete Wolken. Diesen Indeterminismus übertrug er auch auf gesellschaftliche Zustände.
    Darüber hat er leidenschaftlich mit ihrem Amtsvorgänger, der alten Knurrhahn und knochenharten Pragmatiker, Helmut Schmidt, gestritten. Ich habe so den Verdacht, dass sich Merkel auf Popper beruft, weil sie heimlich eifersüchtig auf den beliebtesten Kettenraucher Deutschlands ist. Der mit Popper befreundet, aber kein „Popperianer“ war – bzw. sich bei seinem knochenharten Pragmatismus auf Popper beruft, aber gern andere, unbequeme, Aspekte des „kritischen Rationalismus“ ausblendet. Der von Popper respektiert, aber auch kritisiert wurde. Wobei Popper, der „totalitäre Liberale“, auch nicht unproblematisch ist, wenn es um seine politischen Ansichten ging, das sollte nicht verschwiegen werden.
    Popper war ein ausgezeichneter Musiker. Womit sich der Kreis schließt.
    Ja, und ich danke Dir, Duke, denn Deine Ansprache ermutigt mich, doch etwas in meinem Blog zu schreiben, mit dem ich lange zögerte, es zu schreiben,

  2. kati

    kuss

  3. Brigh

    Hey, Sohn der schönsten Sonnen, ich weiß genau, warum ich dich so liebe…

  4. nora

    gähn

  5. Andrea

    Danke Duke!
    Danke, dass Du mit Deinen Worten immer wieder Mut machst, die WUT in MUT wandelst, und Hoffnung.

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