Eibensang

Die Nibelungen

als Handpuppen-Spiel
(weitgehend in Stabreim)

VORSPANN

1. SZENE: Intro (Vorhang, Musik)

Geschlossener Vorhang. Musik. In deren Abebben mischen sich zunehmend Krähen- und Rabenschreie.


2. SZENE: Prolog (Odin, Freyja)

Vorhang auf. Das Hintergrundbild zeigt das frische Chaos eines Schlachtfeldes: niedergemetzelte Leiber, über- und quer durcheinanderliegend, darüber Aasvögel. Auftritt Odin, langsam von der Seite. Dazu immer noch Vogelschreie aus dem Off

Odin
Seid ihr alle da? … Seid ihr alle da? … Seid ihr alle da?

Auftritt Freyja

Freyja
Ja -und viel zu früh kommt dein Geheule, Jarle-Jäger!
Noch kriegst du mir keinen von den Kadavern hier
Erst nach mir kommst du dran, deine Einherjer zu erwählen.

Odin
„Zu früh“ bezichtigst du mich, übers Feld zu ziehen, Freyja?
Wer sind denn die Walküren, wenn nicht Wutsturms Töchter?
Und alle unterstehen dem Befehl Allvater Odins, der die Asen führt.
Dies Aas ist meines alles – und sei’s ausnahmsweise.

Freyja
Untersteh du dich, unseren Brauch hier umzudrehen!
Was einst beschlossen war, erst recht gilt’s heut‘ und ewig!
Bevor der Bölverkr sich nimmt, was ihm gebührt an Beute,
Kommen all die nach Folkwang, die sich Freyja vornimmt.
So ist es Brauch seit Anbeginn, und also hat’s zu bleiben!

Odin
Zart-hold wärst du mir lieber als die Zähne zeigend.
Spitzzüngig bist du. Doch der Speer war spitzer,
Den dein schwarzäugiger Liebling schwang,
und schwer wiegt sein Verrat:
Den blonden Helden hinterrücks zu fällen,
So bös‘ den eigenen Herrn im Blut zu baden.

Freyja
Still! Den musste jemand stoppen, der zu stark geworden.
Du bist der letzte hier, der fauchen braucht von Tücke und Verrat.
Wer hat dem Gunter denn den Schild geführt gegen die Brunhild?
War’s nicht dein Sigfrid, der sein Heil so hat besudelt:
Sein eigenes Schicksal selbst verschuldet bis zum Schluss!
Heimlich die Brunhild hintergangen, hartherzig verlassen,
Nachdem er leichten Sinns die Liebe ihr gelobt!
Wer mich so foppt, hat sich fürwahr schon selbst verraten!

Odin
Jetzt hör mal auf zu jaulen, als wärst du die Jungfrau,
Die ohne Kenntnis – huch! -zum Kind gekommen wär!
Gefädelt hast du’s, mit der Frigg dich fein beraten,
Die Stärke meines stolzen Helden stank euch sehr.
Die Heere dann: nur die hab ich gehobelt,
Zusammen sie gebracht zum Zähnebrechen.
Und ausgetobt hat sich Klein-Krimhilds Aufstand hier:
in und vor Etzels Halle auch endlich ausgeblutet.
Einherjer für den Endkampf sind erschlagen!
Gelegenheit, die besten zu ergreifen: Gib sie mir!

Freyja
Nichts da! Die lass ich mir nicht nehmen.

Odin
Begreif doch -hier geht’s nicht bloß um Beute!

Freyja
Was trieb dich, Wutsturm, sonst zum Toben und zum Töten?

Odin
Ausnahmslos alle sind vonnöten, wenn für Asgard
freudlos ein finsterer Abend naht.
Und wenn in Fenrirs Fressnapf plötzlich
Allvater fällt als Hundefutter
Bist du doch auf derselben Burg auch froh
Wenn dann noch viele auf der Asen Seite fechten
Anstatt in Folkwang nur zu vögeln und zu feiern.

Freyja
Wenn du hier abhaust erst, hat es ein Ende…

Odin
Dem sollen ja grad entgegentreten diese Einherjer, die Erschlagenen.

Freyja
Ich meinte: besser wär’s und bleibt’s, du lässt die meinen mir.

Odin
Wenn du mich weiter narrst, werd‘ ich’s den Nornen sagen,
die Not, die wende dann, wer…

Freyja
Schnauze, alter Schlächter, schnöder!

Odin
Ach Liebchen, holde Nerthustochter,
sei doch nur einmal ein wenig nett zu mir.

Freyja (ruft laut)
Ihr Krähenschwestern, kommt
und weidet euch an den Kadavern hier!

Odin
Zum Donner, würdest du doch nur begreifen…!

Freyja
Dein Sohnemann, der sollte dir mal sagen…

Odin
Der mag so Menschenblut nicht sehen auf seiner Mutter Boden.

Freyja
Geschändet hast schon du sie, Schlächter.

Odin
Nur für die Not, die sich uns nähert…

Freyja
Der Brauch, er bleibt so wie beschlossen.
Lass Freyjas Krähen fett sich fressen,
Für Odins Raben wird der Rest noch reichen
Den wir dir liegenlassen für dein Lieblingsheer.

Odin
Ja, ja, das letzte Wort, das wollen die Weiber immer haben…

Freyja
Nur die Gefallenen: die, die mir gefallen, Fjölnir.
Ins schöne Folkwang fliegen sie mit mir.
Genug noch gehen nach Walhall.

Odin
Was bleibt da übrig für Walhall! Und wer!

Freyja
Tja, Alterchen. Das ist nun mal…

Odin
Dein letztes Wort?

Freyja
…die zweite Wahl.

Vorhang. Musik…

3. SZENE: Schriftschilder

Vorhang auf (Musik läuft weiter)

Schilderfolge:

Pagan Puppets proudly present:
Die Nibelungen

starring

Arnold Weißenegger
as
Sigfrid

Merryl Sleep
as
Krimhild

Pamela Andersdottir
as
Brunhild

Hagen Schwarzalb
as
Hagen

Bruce Willnix
as
Gunter

Franka Prepotente as Freyja
Wotan Wurlitzer as Odin

Kaspar Drachi as Fafnir
Sambal Oeloek as Etzel

Tusnelda von Turn & Taxi as Dienerin
You, and you, and you… (and so on) as Battlefield Cadavers

Paintings and Pictures: Eliah Eygenbau
Horse Trainers: Wanda Wieher, Gaby Galoppel, Hotte Hü
Make Up: Marionetta di Trendi
Synchron Voices: die Singvøgel
Special Effects: Vanessa „Raffinessa“ van der Waberloh

Screenplay by Lester Mowl

Music by Dennis Download

Directed by Steffen Spielzwerg

No Godesses, Gods, Dwarfs, Elves or any other spirits were harmed by realising the action scenes of this screenplay -even no Giants, Dragons or any animal creatures (except possibly some Neopagan people in the audience)

© ca. 600 by Oral Traditions Ltd.

Vorhang

HAUPTTEIL

4. SZENE: Burgund (Krimhild, Hagen)

Vorhang auf: In Krimhilds Turmgemach. Man sieht Krimhild einsam aus dem Fenster gucken (sie lehnt sich etwas aus dem Rahmen, Richtung Publikum). Krimhild betrachtet die (unsichtbare) Szenerie „unten“:

Krimhild
Ach -wenn ich diese Arschlöcher schon alle sehe!
Mit welcher Macht sie sich bemühen
Eine Königin zu kriegen -die aber keinen will.
Nicht den, und auch nicht diesen da!
All diese Gecken, wie sie gurren um meine Gunst!
Aus fernsten Reichen fallen Fürsten –
Vom Prinzen bis zum prahlerischsten Potentaten –
Fast auf die Knie vor Freundlichkeit:
Mir ihre Hand zu bieten, hier an unserm Hof…

Auftritt Hagen. Er kommt in die Kammer. Krimhild bemerkt ihn gar nicht, sie deklamiert weiter ihr Selbstgespräch. Er verhält sich ruhig, ist aber sichtbar bewegt von ihr.

Krimhild
Doch wie schwach dieses Worms ist
Das wissen nur die Wenigsten!
So will’s mir scheinen…
Ach, was schau ich
Mir diese Männer, diese Meute,
überhaupt nur an!

Sie wendet sich brüsk vom „Fenster“ (dem Guck-Rahmen) ab und schmollt (Hagen noch immer nicht bemerkend: Sie guckt in die Gegenrichtung, zur Wand).

Hagen
Nur halb so schwach, oh Herrin, wär‘ unseres Reiches Heil
Würdet ihr Euch entscheiden -für einen, der Euch freit!

Krimhild gewahrt ihn, zuckt kurz zusammen. Sogleich wieder gefasst, sieht sie Hagen an

Hagen
Verzeiht! Ganz fern liegt’s mir, zu zürnen.
Allein der Herrin: ihr obliegt’s, ob sie sich einen wählt.
Doch lasst mich, Euren loyalen Lehnsmann Hagen
Nicht nur als Fechter, vielmehr als treuen Freund Euch fragen:
Was hält Euch ab, dass Euch kein Herr dort hold?
Wie müßte der beschaffen sein, dem Ihr das Wort gewährt?

Krimhild
(zögernd) In Wahrheit -ach, ich will sie nicht verweigern:
Dir, meinem Treuesten, vertrau ich an den Traum.
Mir träumte eines Tags, ein Falke, schön wie der Tau,
Flöge zu mir ans Fenster, oder war’s ein Faun?
Da fiel ein schwerer Schatten, selber flügelschlagend
Als schwarzer Adler ein, der nach dem Schönen hieb

Hagen
Nicht ganz vernehm ich, was Ihr mir wollt nennen…

Krimhild
Der Falke starb! Und stolz entstieg der Adler
Von seinem Mordwerk, seiner Bosheit Sieg.
So dünkte mich, dass mir … viel Dunkles dräute:
Der stolze, schmählich gestürzte Falke stünde …
Für einen noch viel schöneren, freien Mann.
Mein Glück wär‘ groß: doch größer wär‘ das Grauen
Das mich ereilt, das bei mir bleibt -sodann.

Hagen
Noch immer seh ich nicht, was in der Götter Namen…

Krimhild
Schweig still! Mein Schwur war schnell beschlossen:
Mich, Krimhild -König Gunters Schwester –
Bekommt kein Kerl noch Kämpfer, sei’s der größte Mann!
Denn lieber bleib ich ledig für mein Leben
Als Trauer zu ertragen: Trauschleier kurz –
Die Tragik … lebenslang.

Hagen
Orakelträume lassen oftmals offen
Was man zu tun vermag im Meer der Möglichkeit.
Was macht Euch sicher, dass grad Eure Sache
So düster ausgeht, so im Sande bleibt?
Allein: Euch ehrt der hohe Anspruch!
(zum Publikum) Wie sehr ich mich verzehr‘ nach diesem Weib!
(zu Krimhild) Vielleicht hängt er zu hoch für höchste Herren?
Dem Schönsten scheint nicht die geringste Chance!
Wollt Ihr die Latte nicht doch lieber tiefer legen, nur ein bisschen:
Für der Burgunden Glück, für unserer Burgen Glanz?

Krimhild
Ich weiß genau, Dich grämt das Ganze
Weil du bedroht wähnst unser Worms!

Hagen
Da sind die Dänen, Lüdegast ihr Dróttinn:
Reckt sich sein Würgegriff nicht rasch um unser Reich?
Und dann die Sachsen: soll ich sie erwähnen?
Den Lüdeger: an List und Laster erstem gleich.
Froh bleib ich, wenn die Feinde sich befehden
Gegenseitig: was bislang gilt. Doch ob’s so bleibt?
Nichts gegen König Gunter, aber seine Gabe
Ist weder Ehr‘ noch Erz: nur Unentschlossenheit!

Krimhild
Die Pest bewahr mich vor den Phrasen solch pingeliger Politik!
Mein lieber Hagen: Ihr erhirnt doch hier und heute jeden Trick
Die Feinde außen vor zu lassen, durchaus fern von Worms
Du schlägst sie alle: Ich scheu keines Sturms…
Und bitte Dich, bei meinen braven Brüdern:
Erwähn mir all das Elend nimmer wieder.
Es ist nur eingebildet -eure Sorg‘ nur eh:
Die Königin hat Kummer: das Königreich aber steht
Auch ohne dass ich Ja sag‘ zu einem Jeck noch Jäger
Je mehr du mich vermeldest, verweiger ich mich eher!

Hagen
(zum Publikum) Das war’s ja, was ich wollte!
(zu Krimhild) Herrin, ich weiß, ich sollte
Euch nicht so hart behelligen, und Euer Herz bekümmern
Steht mir so fern. Ich stehe, und sei’s zur letzten Stunde
Für dieses Reich ein: gern. Und richte als der Rechte,
Kämpfe, agiere, fechte.
Mit allen Freuden, bei Freyja: für die Euren.

Krimhild guckt plötzlich interessiert aus dem Fenster

Hagen
He, sagt, was habt Ihr, Herrin?
Rührt Euch nicht meine Rede? Hat sie nicht Euer Ohr -erreicht?

Krimhild (zu sich selbst, aus dem Rahmen spähend)
Was ist das für ein Krieger? Dort unten, dieser Kerl?
So blond, so stark, so standhaft? Dass mich sein Blick ereilt?
Mir ist, als mög‘ mein Schwur, so schwer er ward‘, verschwinden!
Im Bann des Blicks ertrinken! Wie blind ich hier verweil‘!
Jetzt hat er mich gesehen! Just ist mir nach dem Ja!
Nichtmal kenn ich den Namen von diesem Niemand da!
So stark steigt er vom Pferde! So kraftvoll, wild und stolz!
Der ist nicht wie die Herde! Der ist aus anderm Holz!
Wie wird mir -was geschieht hier? Mich erfasst ein Weh‘!

Hagen (zum Publikum)
Umsonst reckt sich des Recken
Aug‘ himmelwärts jetzt eh…

Krimhild
Nie je zuvor, das schwör‘ ich, zog mich so Zärtlichkeit
Zu eines Burschen Bild hin, er ist dem Baldur gleich!
Hat Muskeln eines Mannes, doch mild wie ein Gedicht
Ist dieses Edlen Antlitz, sein artiges Gesicht!
Ach weh, was wird nun werden! Ob er mich je erkennt?
Wie hoch türmt sich mein Schlossturm! Wie tief mein Herz erbrennt!
Ich muss die Treppen steigen: hinab, hinab, hinab!
Ihm gleich entgegeneilen: ob Ritter oder Knapp‘!

Krimhild ab. Hagen, düster

Hagen (sieht aus dem Fenster)
Wer war gemeldet, welchen hätt‘ ich mir merken müssen?
Schon huscht sie hin, die Schöne, bereit, den Schelm zu küssen.
Da kann man sich bekümmern, als Königs bester Mann:
Das Herz der Heißbegehrten strahlt nie den Niederen an.
Am Gold misst man, am Güterstand,
schon die Geborenen in der Wiege,
Am Fleiß das dumme Fußvolk –
Doch nur die Herren am Siege.

Vorhang

5. SZENE: Drachenkampf (Sigfrid, Fafnir)

Vorhang auf: Waldlandschaft, im Vordergrund Auftritt Sigfrid, die Gegend hin und her absuchend

Sigfrid
Köhler! Köhler! Es ist zum Kotzen! Wo steckt der Kerl denn bloß?
Oder ist er stumm? Seit Stunden steig ich schon hier rum.
Ich, Sigfrid, Regins stärkster Schmied, soll einen Köhler suchen.
Kann dieser Hohlkopf mich nicht hören? Hat Kohlen auf den Ohren?
Hier müßte doch schon längstens diese leidige Kate liegen.
Ich bin doch, ganz korrekt, nach Auskunft der Kollegen
Am Kreuzweg rechts gegangen. Und rechts war doch die Richtung!
Der Weg war von den Schmieden sehr schön und klar beschrieben:
„Nimm an der Kreuzung bloß nicht den links geneigten –
Der führt woanders hin.“ Ich hab mich dran gehalten!

Auftritt Fafnir von hinten: Sigfrid sieht ihn nicht.
Leise dramatische Musik…

Sigfrid
Recht nett haben die Gesellen -für diesmal gar nicht neidisch,
Leichtherzig sogar lachend -mir lang noch nachgewunken
Als wär’s eine Art Abschied… Was mich ein wenig wunderte…
Aber egal jetzt, hab ich doch allmählich andere Sorgen hier.
Ich kann doch ohne Kohlen nicht einfach umkehren wieder.
Doch wie zum Donner kommt’s, dass nirgends hier ein Köh-

Fafnir haut mit seinem Unterkiefer Sigfrid auf den Kopf

Sigfrid
Au! (dreht sich um, erblickt Fafnir)
Oh! (Positionswechsel beider ins Profil)
Öh -könnt Ihr mir vielleicht sagen, wie ich zum Köhler ko-

Fafnir rammt Sigfrid, der strauchelt

Sigfrid
Hey! Da sagt man höflich Hallo…

Fafnir rammt Sigfrid wieder

Sigfrid
Ich warn‘ Euch: einen Helden
Mit Hieben zu behelligen, das hat
Ein herbes Ende, noch eh Ihr Euch’s verseht!
Was seid Ihr für ein Hitzkopf? Huscht einfach her
Und stupst mich! Sagt, sucht Ihr Streit? Dann stellt Euch!

Fafnir neigt den Schädel schräg

Sigfrid
Sprecht Ihr, so wie ich das erspäh‘, gar keine rechte Sprache?
Zu dumm: denn gerade dann, wenn Zwist droht,
Es zwischen uns zum Zweikampf kommt,
Sind zwecks der Überlieferung auch Zwiegespräche zwingend!
Wenigstens ein „Nimm dies!“, „Na, komm!“, oder nachgerade
Ein „Wie schmeckt dir das, du Schurke!“ wär schon angebracht.
Sonst wird man unsere besten Helden noch,
wenn’s bös kommt, für Barbaren halten
In zukünft’gen Jahrhunderten: für allezeit zwar zankbereite,
doch jeden Dialogs Unkundige, jepp: jämmerliche Deppen!
Was das bedeutet für die Ahnen,
will ich mir gar nicht ausmalen auch:
Die dann ja wir wären: aber wer wird dann noch unsere Ära
Oder uns verehren wollen, als stolze Nachwelt
nach so stummen -womöglich gar vergessenen -Jahren!
Drum fordere ich dich Spitzbub auf: Spuck’s aus,
und sei’s im Spotte!
Sprich, sperr dein Maul auf, spröder Kerl,
und komm endlich zu Potte!

Fafnir speit Feuer
Sigfrid springt angesengt herum

Sigfrid
Aaaaaaaaah!
Au, au, so heiß, ich hab’s geahnt: ein Hitzkopf ist der Gegner!
So wie der lodert, könnt man leicht ihn einen Lindwurm heißen!
So groß er ist, da soll er gleich, wenn nicht ins Gras mir beißen,
Mit einem Baumstamm Gleiches tun, die stehn hier zum Ausreißen!

Sigfrid reißt einen Baum aus und schlägt damit nach Fafnir, der immer wieder Feuer speit

Sigfrid
Und schwupp, da schaust du Scheusal, was?
Wie schmeckt dir das, du Drache?
Und einer geht noch -erstmal überhaupt
Hurtig aufs Haupt, als Rache!

Sigfrid reißt weitere Bäume aus und schlägt damit nach Fafnir, der weiterspeit

Sigfrid
Geht dir der Ofen gar nicht aus? Hörst du nicht auf, zu zündeln?
Da will dem Biest ich das Gestrüpp zu größeren Ballen bündeln…

Sigfrid wirft mehrere Bäume auf einmal nach Fafnir, der Wald lichtet sich zusehends

Sigfrid
Bald werd ich doch ein bisschen bös‘
Und wie’s da kotzt aus dem Gekrös‘
Könnt ei’m ja schlecht wer’n vom Gestank,
Schon ist zum Speien mir übel
Ach, gäb’s nur Bohrmaschinen schon
Hätt‘ ich dich stracks am Boden festgespaxt
Dich Scheiß-Jurassic-Dübel!
Pass auf, du Pisspott-Krokodil,
Gleich fängst du selber Feuer viel
Dann hat sich’s ausgekaspert!
Grad für ein Bunsenbrennerbiest wie dich
Hab ich was in der Hose! Hier!

Sigfrid zieht ein silbernes Netz hervor -und wirft es über Fafnir

Sigfrid
Willst mein Gesellenstück bestaunen?
Das Netz aus Erz, so stark wie Stahl
Und schwupp, wer schaut da scheppse
Schön fein geschmiedet schmiegt es sich
Ei da, es brennt die Echse!

Im Netz gefangen, brennt der Drache in seinem eigenen Feuer.
Sigfrid legt ausgerissene Bäume auf ihn.
(Musik aus)

Sigfrid
Da ist der Schmied nicht faul und schichtet seine Scheite…
Nicht bei mir hab ich Blasebälge
Doch kann die Bestie selber sich noch am besten brutzeln…

Sigfrid streckt sich neben dem Drachenkadaver aus, gähnend

Der Kampf ist aus, die müden Knochen leg ich jetzt lang und komme
Erstmal zur Ruh: Erholungsschlaf ereilt mich
Und aalen lässt sich’s ja auch fein am Lindwurm-Lagerfeuer!
Als Ofen taugt’s noch allemal: das üble Ungeheuer!

Vorhang


6. SZENE: Bad im Blut (Off-Stimme, Sigfrid, Vögel, Freyja)

Vorhang auf. Leise, sphärische Musik mit Vogelgezwitscher. Das Hintergrundbild zeigt die gleiche Waldlandschaft wie vordem, nur zusätzlich mit dem ausgebrannten Drachenkadaver in einem Blutsee, daneben eine große Linde.

Stimme aus dem Off
Sie hören hier die Vogelsprache. Aus Gründen der Verständlichkeit erlauben wir uns, alle Vogelstimmen mit akustischen Untertiteln zu unterlegen. Diesen Service präsentieren Ihnen -live, obzwar unsichtbar: die Singvøgel! Eure Band mit dem schrägen Ø!
Im weltweiten Gewebe mit „o-e“ zu tippen: www.singvoegel.com!

Sigfrid (schnarcht vernehmlich)
Chrrr… chrrr.. chrrr…

Auftritt Vögel

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
He, Flügelmann, Gefiederter! Mein lieber Vetter! Hörst du mich?

Männliche Vogelstimme (flüsternd)
Bildhübsche Freundin! Feder-Base! Fein aber deutlich hör ich dich!

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
Siehst du den Schmied da unten neben dem Scheusal schnarchen?

Männliche Vogelstimme
(flüsternd)
Bin ja nicht blind. Doch sag mir, Base, was willst du mir zwitschern?

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
Sigfrid, der Drachentöter ist’s. Soll’n wir ihm Träume träufeln?

Männliche Vogelstimme
(flüsternd)
Der Sterbliche hat’s nötig stets. Doch wird er uns verstehen?

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
Das Drachenblut schon netzte ihn. Natürlich nur ein wenig.
Doch wird es reichen, unsere Rede in seinen Traum zu raunen.

Männliche Vogelstimme (flüsternd)
He, stolzer Held! Steh auf und steige
Hinein, bis dass der Bestie Blut
Die Fesseln deiner Füße warm umfange!
Doch wart‘ nicht! Wate weiter!

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
Bis du mit beiden Beinen stehst
Im dicken Fett des Drachen!
Dann tunk dich ein, ganz tief und tauch
Dich kurz, doch ganz kopfunter!

Sigfrid (erhebt sich schlafwandelnd, in Trance)
Ich -hör ich recht oder bild ich’s mir bald ein -soll baden gehen?
Hab ich das jetzt so zu verstehn?
Hab just schon letztes Jahr gebadet!

Sigfrid tut torkelnd so, wie geheißen.
Man hört Gurgeln und Blubbern!

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
Shhhh! Das ist nichts, was dir schadet!

Männliche Vogelstimme (flüsternd)
Im Gegenteil, das Ganze gilt
Dir Hornhaut anzuhexen!

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
Die Haut des Menschen, eingehüllt
Vom Fettfilm eines Drachen…

Männliche Vogelstimme
(flüsternd)
…Wird gegen Waffenhieb und -stich…

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
…dich unverwundbar machen!

Sigfrid (in Trance)
Das ist ja schön. Kann ich schon schauen…
Ob’s funktioniert? Ich fühl mich fremd in mir…

Weibliche Vogelstimme (flüsternd)
Shhh! Schweig noch und schlafe!

Männliche Vogelstimme (flüsternd)
Benetz dich nun, und nicht nur halb…

Plötzlicher Auftritt Freyja.(Musik bricht ab)
Auf ihren Ruf erstarrt Sigfrid jäh (aber in Trance bleibend)

Freyja
Halt ein! Bevor die Haut wird hart
Hab ich noch Harm zu hegen.
Zu licht ist’s hier, zu leicht der Lohn!
Zu barsch ließ mir der Bursch‘ beim Kampf
Die besten Bäume bersten!
Seht, wodurch Sigfrid siegte!

Ausholende Geste Freyjas

Freyja
Den halben Wald fast abgeholzt
Hat er mit rascher Hand, der Hund:
Ob Mann ob Monster, manchmal tobt
Ein Untier wie das andere!

Männliche Vogelstimme (erschrocken)
Herrin! Verzeih! Vor Deinem Zorn
Verzagt unser Gezwitscher!

Weibliche Vogelstimme (erschrocken)
Zilp!

Männliche Vogelstimme
(erschrocken)
Wir Vögel sollten vielmehr flieh’n
Zum Luftschloss ohne Zögern zieh’n…!
War’s schon zuviel des Zaubers?
Wir hielten das für Heil, was wir hier anhuben zu…

Freyja (abwehrend)
Gib Frieden, Freund. Ich will nicht viel.
Bleibt auf den Bäumen beide!
Ich litt nur mit der Linde Leid
Ihrem Erschauern vor der Schwestern Schicksal
Gilt mein ganzes Grämen.

Männliche Vogelstimme
Du schiltst uns nicht? Schonst uns trotz Schrecken?

Freyja (leise lachend)
Ich schelt‘ euch nicht, in keinerlei Idee.

Männliche Vogelstimme

So … Was verlangst Du? Lass uns lauschen!

Freyja
Nichts weiter als ein Weniges, ein winzigkleines Pünktchen:
Wenn Sigfrid taucht in seinen Sud,
Lasse die Linde leise
Ein grünes, weiches, loses Blatt, von lauer Luft getragen,
Ohne dass der Mann es merkt, ihm auf den Rücken fallen
Nur kurz, solang er taucht: kaum länger soll es kleben
Zwischen seinen Schultern, allein zu diesem Zwecke:
Dass nichts ihn dort berühre von all dem Drachenfett und Blut
Und unser hartgesottener Held nur hier,
An dieser einen stillen Stell‘, sterbensverwundbar bleibe.

Das Blatt zu werfen ich alsnun den Baum, die Linde, bitte!

Männliche Vogelstimme
Ist das der Liebesgöttin Rache fürs Leid der Lindenbäume?

Freyja
Dem Baum, doch auch dem Recken:
nicht Rache, nur Gerechtigkeit
Wird so ganz gut vergolten.
Schon sanft das Blatt vom Baume segelt, wie ich gewahr‘ soeben!
Heimlich am Rücken unseres Helden haftend
Wird dort die Haut nicht hornen, nicht verhärten.

Sigfrid
Noch wie im Traume tauch ich tief
Bis überm Kopf im bösen Blut des Ungeheuers unter!

Freyja
Alles ist so, wie es sein soll.
Der Held steigt wiederhergestellt, doch stark wie nie
Denn widerstehn wird seine Haut nun Stich und Stoß –
Außer von hinten. Jetzt weckt ihn auf, ihr Vögel!

Freyja ab. Sigfrid streckt sich.

Sigfrid (erwachend, sich zur Heldenpose reckend)
Aaaaaaaah!

Vorhang


7. SZENE: Die Walküre (Brunhild, Dienerin)

Vorhang auf. In Brunhilds Gemach. Brunhild ruht auf ihrem Lager. Auftritt Dienerin

Dienerin
Bald zu erwachen, muss ich bitten Euch,
Oh Brunhild, der Walküren beste!

Brunhild (unwirsch)
Warum, zum Donnerkeil-Zerkochen!
Was denn, zum Werwolfkopf-Beknuddeln, gilt’s zu wagen?

Dienerin
Besuch ist angekündigt bald: von den Burgunden!

Brunhild (sich von ihrem Lager erhebend)
Burgunder? Ei, da bolz‘ mich doch der Bock!
Und was zum Arschaufreißen woll’n die ausgerechnet hier bei uns?

Dienerin
Es fährt ihr König Gunter, heißt es, auf Freiersfüßen
Geradewegs bis hin zu Brunhilds Burg!

Brunhild (grob belustigt)
König wer? (lacht sich schlapp) Kein Weichei und kein Waschlapp‘
Hatt‘, will mir kichern, je an Königswürd‘ und Kron‘
So schwer zu schleppen wie der Schwächling Gunter!
Noch jeder Pups, hört man peinlicherweise, puste
Ha-ha-hastenichgesehn den Hänfling aus dem Hemde!

Dienerin
Doch wahr ist’s. Die Walküre will er freien,
Gunter der Burgunder: und gar keine Geringere
Als Brunhild, die Berserker-an-die-Wand-Werfende, zur Braut!

Brunhild
Versteh’s der Otter, was die Männer antreibt, sich zu opfern…
Ich hoffe doch, es hat der Hänfling
Vernommen die Bedingungen, bei denen man mich freit?
Ich töte noch am selben Tage jeden Törichten,
Der mir auch nur in einer Aufgab‘ unterliegt,
Mitsamt Gefolge, wer’s auch sei, und all seinem Gesinde.
Und allen bin ich über!
Kein Mann, der mir da kommen könnt‘!
Außer vielleicht -bei Odins Auge! -Sigfrid…

Dienerin (schwärmerisch)
Den Königsohn von Xanten? Kennt Ihr ihn?

Brunhild
Kennen wär untertrieben, getanzt haben wir traumgleich
Und wie die Zausel es getrieben, obzwar jenseits von Zeiten.
Als er die Waberlohe überwand, gab er sein Wort
Zu mir, als seiner Liebe, dereinst zurückzukehren.

Dienerin (verwirrt)
Nie wurde mir, nicht vor dem Wall, und nicht vorm Tor
Der Mutigste der Männer je gemeldet hier?!

Brunhild (mehr zu sich, träumerisch)
Durch Dunst sind wir gefahren: auf Freyjas Feldern war es
Nicht hier ist es geschehen, noch in Kalenders Nacht.
Ganz bei den Göttern war’s, zwischen den goldenen Welten.
(sich jäh besinnend)
Doch was erzähl ich da dir meiner Dienerin!
Hinaus! Zur Ankunft vorbereiten alles, aber hurtig!

Dienerin ab

Brunhild (ihr nachrufend)
Und frische Gräber schonmal ausheben, nicht vergessen!
(zu sich selbst, kopfschüttelnd, verächtlich)
Gunter, der Burgunder! Bei Garm und Geri!

8. SZENE: Tagesschau (Off-Stimme, Sprecher, Sprecherin)

Bei geschlossenem Vorhang: TV-Fanfaren-Jingle „Tagesschau“,
darüber Stimme aus dem Off

Off-Stimme
Hier sind die Pagan Pictures mit der Tagesschau!

Bei Jingle-Ausklang Vorhang auf.
Vor den Hintergrund einer ältlichen Landkarte schiebt sich ein Menschenkopf

Sprecher
Guten Abend!
Worms. Mit 12köpfigem Gefolge traf letzten Monat Sigfrid von Xanten, genannt „der Drachentöter“, am Hof zu Worms ein. Beim Empfang durch König Gunter und dessen Lehnsmann Hagen von Tronje kam es zu einem peinlichen Zwischenfall. Der „Drachentöter“ richtete das Wort zuerst an Hagen und bot ihm, den Lehnsmann offenbar mit dem König verwechselnd, den Zweikampf an. Preis sei, so Sigfrid, die Herrschaft über das Reich der Burgunder und die Hand von Krimhild, um die er hiermit anhalte. Von Hagen auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht, wiederholte der Königssohn von Xanten sein Anliegen Gunter gegenüber. Der König schlug das Angebot aus, begrüßte Sigfrid jedoch als gern gesehenen Gast und lud ihn zum Festmahl. Im Verlauf der ausgedehnten Feierlichkeiten kam es zu freundschaftlichen Gesprächen zwischen König Gunter und Sigfrid dem Drachentöter.

Sprecher ab. Auftritt Sprecherin

Sprecherin
Dänemark. Das überraschende Bündnis von Lüdegast dem Dänen mit Lüdeger dem Sachsen wurde mit großem Waffengeklirr begangen. Für die Burgunder, so ein Sprecher des Bündnisses der Könige, bestehe jedoch kein Anlass zur Beruhigung. Man habe nicht die Absicht, Gefangene zu machen.

Sprecherin ab. Auftritt Sprecher.

Sprecher
Wirtschaftsnachrichten.
Nibelung. Alberich der Zwerg, Hüter des sog. Nibelungenschatzes, gibt seinen Rücktritt aus dem Aufsichtsrat bekannt. Neuer Besitzer des Hortes sei nunmehr Sigfrid von Xanten, auch bekannt als „der Drachentöter“. Laut Alberich hat es sich hierbei um eine feindliche Übernahme gehandelt. Auch die Tarnkappe, mit deren Hilfe sich jeder, der sie trägt, dem menschlichen Auge unsichtbar macht, sei bei den Verhandlungen in den Besitz Sigfrids übergegangen.
Der Verlust weiterer Arbeitsplätze sei aber, so Alberich, vorerst nicht zu befürchten.

Die Börse reagierte auf die nibelungener Vorgänge mit verhaltener Unruhe. Ein Münz-Broker der Fafnir Gold Holding kommentierte: „Wenn das Gold erstmal im Rhein ist, steht uns das Wasser bald bis zum Hals!“ An der Loreley sanken mehrere Fischerboote bereits auf Grundeis. Beobachter befürchten eine „Entwicklung ins Bodenlose“.

Sprecher ab, Auftritt Sprecherin

Sprecherin
Klatsch und Gesellschaft.
Krimhild von Burgund gab überraschend Sigfrid von Xanten, der derzeit als Gast am Hof zu Worms weilt, ihr Jawort. Bei der Verlobung gab König Gunter seine baldige Vermählung mit Brunhild von Island bekannt. Die Ankündigung sorgte bei Hofe für beträchtliches Aufsehen. Brunhild, die früher als Walküre für Odin arbeitete, ist heute vor allem für Wettkämpfe bekannt, denen sich all ihre Bewerber stellen müssen.

Sprecherin ab, Auftritt Sprecher

Sprecher
Zum Schluss das Neueste vom Sport.
Auf Island fanden die diesmonatlichen Meisterschaften zur „Erringung der Walkürenhand“ statt. Recke Schwanhold von Schildbruch unterlag Brunhild im Speerwurf 0:1, er und sein Gefolge erhielten als typischen Trostpreis das sog. vegetarische Festmahl: Alle durften einmal gratis ins Gras beißen. Als nächster Kandidat parierte Heribert von Humpfenstumpf den Speer der Walküre mit einem knappen 1:1/1, es gelang ihm im Folgekampf jedoch nicht, den ihm zugewiesenen Felsen überhaupt nur anzuheben. Der Felsweitwurf wurde aus Gesundheitsgründen abgesagt: Die Spielleitung wies der Humpfenstumpfer Mannschaft den Weg nach Walhall. Als bislang erfolgreichster Bewerber um Brunhilds Hand erreichte Hengist der Hupfer überraschend die dritte Disziplin im Viertelfinale. Mit seinem Weitsprungergebnis von 23 Ellen und 3 Handbreit lag Hengist jedoch um 6 Steinmarken und 2 Grasnarben hinter dem der Walküre. Der Herausforderer verlor daraufhin den Kopf, sein Gefolge folgte ihm gleichermaßen ungern, aber ganz. Als Teilnehmer der Meisterschaften für nächsten Monat hat sich Gunter der Burgunder, König von Worms, nominiert. Begleitet wird er u.a. von Sigfrid von Xanten, der jedoch anonym reist.

Gastgeberin Brunhild sieht den Wettkämpfen mit Gunter gelassen und, wie sie sagte, ohne jede Spannung entgegen.

Sprecherin
Das waren die Pagan Pictures mit der Tagesschau.

Musik „Tagesschau Finale“

Sprecher
Euch allen frohe Óstara und einen guten Rutsch ins Ragnarök.
Das Wetter.

Vorhang. Musik, dazu Donnergrollen, bald gemischt von Ozeanrauschen.

9. SZENE: Drachenboot hin…

Vorhang auf. Die Kulisse zeigt ein sturmgepeitschtes Meer, darüber Gewitter

Ein Drachenboot (in 2-D) kämpft mühsam gegen die Wellen (fährt langsam schaukelnd die Unterkante des Spielrahmens entlang).

Dazu feierliche Musik (mit Donnerwetter)

Wenn das Schiff an der andern Seite ankommt: Vorhang.
Die Musik läuft noch eine Weile weiter, bevor sie (erst kurz vorm Sprecheinsatz der kommenden Szene) ausklingt.


10. SZENE: Wettkampf
(Dienerin, Hagen, Brunhild, Sigfrid, Gunter)

Vorhang auf: Platz der Wettkämpfe. Auftritt Dienerin
(Musik klingt aus)

Dienerin (zum Publikum)
Willkommen, Ihr Herren, auf Island, Brunhilds Insel!
Von allem stattlichen Gefolge, das sich hier einstellt stets
Seid Ihr, beim Tyr, ganz typische: dem Tode nun Geweihte.

Auftritt Hagen (die Dienerin wendet sich ihm zu)

Hagen
Recht forsch seid Ihr im Spruch und wenig freundlich, Frau.
Soll’s geben, dass die Gäste wieder gehen?

Dienerin
Oh, niemand wird gezwungen, zum Wettkampfe zu zieh’n.
Auch ungeladene Gäste lassen wir gern ins Land.
Doch ist noch keiner hier entkommen von der Küste
Desselben Weges ihn die Wogen brachten, und woher.
Im Land blieb jeder, der hier landete -nur nicht am Leben.
Das ging schon allen so -sollt’s anders sein mit Euch?

Hagen
Fürwahr haben wir zu leben vor, und kommen friedlich.
Seid Ihr von Brunhilds Gastfreundschaft das ganze Aufgebot?

Dienerin (leicht spöttisch)
Frieden mögt Ihr, so schwant mir, in jedem Falle finden.
Doch nanntet Ihr, wen ich der Herrin melden kann, noch nicht.

Hagen
Hagen von Tronje habt Ihr vor Euch hier
Zu melden König Gunters Ankunft, mitsamt Mannen.
Bereiten mag sich Brunhild zur Fahrt bald nach Burgund!

Auftritt Brunhild

Brunhild
So kühne Worte! Sind halb so kühn die Kämpen?

Hagen
Das zu erfahren wird Euch vielleicht weniger gefallen
Als Gäste zu brüskieren, die bisher friedlich blieben
Obwohl sie alles andere hatten als höflichen Empfang.
Mein Grußwort aber geb ich nun an Gunter weiter,
Burgundens König, der auf Brautschau kommt.

Hagen ab.
Auftritt Gunter -der aber erstmal ganz am Rand stehen bleibt.

Brunhild (beiseite, halb zur Dienerin, halb zum Publikum)
Zum Loki, ist der dünne! Den leg ich flach mit links…
Dienerin, mach Dampf mal dieser Memme!

Dienerin (laut)
Zu kurz ist meiner Herrin Zeit für solch Gezicke!
Glaubt Ihr, zum Spaß stehn wir Spalier, oder zum Spiel?
Die Ehr‘ verliert der Angsthas‘ vor dem Blute, auch wer
Verspätet seinen Sporn aufs Schildchen spackt.

Auftritt Sigfrid: Er schiebt Gunter langsam auf Brunhild zu

Brunhild
Pfui Spinn‘, zum Speien ist der Spreizfuß.
Den pfähl ich mit dem Speer auf kleiner Pfanne.

Dienerin
„Auf kleiner Flamme!“ heißt das, für den Fall.

Brunhild
Dein Fall endet am Fuß von Steilhangs Klippen
Wenn du Rosinen weiter kackst oder Korinthen
Als wenn die Asen bei dir Abendkurse nähmen
Sich Wortzauber zeigen zu lassen grad von dir.

Dienerin
Ablenken wollt ich Euch nur von dem Anblick…

Brunhild (innerlich fassungslos: plötzlich Sigfrid erspähend)
He! Was, zum Donnertreiben -darf ich erspähen da?
Das Auge will mir tränen! Welch Trauerspiel, fürwahr!
Der Stärkste, den ich je sah: dem jämmerlichsten Stenz
Die Steigbügel muss halten? Ja, steht’s noch oder brennt’s?
Wenn je ein halbes Würstchen um meine Hand anhielt
So ist es dieser Gunter: ganz ohne Glanz und Stil
Erst hinter ihm stapft einer, dem Sturm im Segel steht!
Der Pferde stiehlt, doch Pfeile ins Herz zu schießen pflegt!
Ein starker Hengst: so einer, der Herr und Heimat heißt,
Der stramm vor Kraft erbebend auf seine Stute steigt.
So hab ich ihn mir vorgestellt, er ist’s, er muss es sein!
Unten wie oben ist mir -das Aug‘ tropft nicht allein…
Der Gunter, ach geh unter -es ist ein Gram und Graus
Mit Sigfrid ging ich munter als sein Weib in sein Haus.

(laut, halb gelangweilt, halb resignierend)
Es ist zum Rattenwürgen. Hereinspaziert, die Recken…

Sigfrid
Der edle König Gunter grüßt Euch zur Ehre hier!

Brunhild
(zu sich, aber laut)
Da stimmt auch noch die Stimme in dieses Mannes Stolz!

Gunter
Äh, ja, ich bin Gunter, und hier in Island um…
Also den Wettkampf, äh, zu wagen. Das, öh, will ich.

Brunhild
Da ich nun keine Freundin bin von viel‘ Formalitäten
Lasst uns den Jammer oder Jux gleich machen jetzt und hier.

Gunter (mit gespieltem Mut, zu Sigfrid)
Bring mir die Brünne, Bursch‘!
Und Schwert und Schild vergiss nicht. Schnell!

Sigfrid ab

Brunhild (zur Dienerin)
Die teuren Regeln: trag sie ihm vor, dem Tragikomiker.

Während die Dienerin spricht, wird Gunter von Sigfrid ausgerüstet.
Sigfrid tuschelt Unverständliches in Gunters Ohr. Danach Sigfrid ab.

Dienerin (gelangweilt deklamierend)
Das Spiel beginnt mit Speer und Spieß,
Es wirft in erster Runde einer auf den andern,
Gesetzt den Fall, Ihr seht Euch siegen,
Führt Euch die Folgerunde an diesen Felsen hier,
Den werft Ihr weit, so weit Ihr könnt,
Die Differenz der Wurf-Distanzen wird gedeutet.
Sollte auch da ein Sieg Euch segnen,
Wofür nichts spricht, so spannt Euch an zum Sprunge
Hier übers Gras, es gilt die ganze Wiese
Zu überspringen, als letzt-übrige Übung.
Was sich meist erübrigt, da Ihr überhaupt überleben müßtet
Die Sach‘ von da bis dort.
Wer fehlt, der fährt sofort
Und mit ihm seine Mannen, so ist’s meist,
Zum vielbesuchten Festmahl nach Valhall, und fertig.

Gunter
Hagen! Meinen Helm noch! Her damit!

Auftritt Hagen

Hagen
Hier, oh Herr. Haltet Euch wacker!

Hagen stülpt Gunter den Helm über

Gunter
Sag, wo ist Sigfrid? Ich seh ihn nimmer.

Hagen
Wohl ausgebüxt, der Wicht. Welch treuer Knapp‘!
Ich such ihn mal.
(zu sich) Nichts als Sorgen macht der Sack!
(zu Gunter) Seid Ihr jetzt bei der Sach‘!

Hagen ab

Dienerin
Achtung! Aufstellung! Anfangen!

Dienerin ab.
Dramatische Musik.
Brunhild ab (sie wird im Off ausgerüstet)

Gunter
Tyr! Großer Tyr! Ich trag so schwer an diesem Schild schon.
Hilf mir den Speer zu halten, Herr!
Oder ruf ich lieber Odin? He -bist du da oben?
Oder ausgeflogen? Kein Arsch zuhaus‘ in Asgard?
Zum Tragen wär der Thor vielleicht der Treueste…
Oh Donnerer, verdammt noch mal, es drängt!
Werfen muss ich das üble Ding ja auch noch erst.
Hätt‘ ich ja mal üben sollen, bei Ullr… oder wasweißichwem.
Wer ist denn eigentlich bei uns der Wurfgott? Ooooodin!

Auftritt Sigfrid unter Zellophanhülle

Sigfrid (flüsternd)
Gunter! Alles geht schon gut!

Gunter
Odin? Oh mein Gott!

Sigfrid (flüsternd)
Quatsch keinen Quark und quäk‘ nicht rum!
Ich, Sigfrid, bin’s. Sei unbesorgt!

Gunter
Sag, wo bist du? Ich seh nix! Sigfrid?
Das Scheißvisier klemmt, ich komm nicht klar!

Auftritt Brunhild, mit Speer und Schild gerüstet

Sigfrid
Kannst du mal die Schnauze halten? Ich schau schon,
Und keiner kann mich sehen, ich bin unsichtbar!
Der Trick des Tages: Tarnkappe!

Brunhild
Der Spaß geht los. Ich spax dich, Sperling!

Brunhild wirft ihren Speer, der fliegt „in Zeitlupe“ (am Draht geführt) gen Gunter. Sigfrid wehrt das Geschoss ab

Gunter
Uff, das war knapp. Uuh, ist mir übel.

Brunhild
Der Hänfling hat den Hieb gehalten?
Ich staune, dass der Stenz noch steht!

Sigfrid
Sag was, du Säftel. Sei tapfer!

Gunter
Ich schmeiß dir das mal schnell zurück, mein Schatz!

Sigfrid trägt den Speer zu Brunhild und piekst sie

Brunhild
Scheiße, mein schöner Schild im Arsch!
Und ganz kaputt. Gut, das hier geht an dich.
He Frischling! Fang das Fels-chen!

Brunhild bückt sich und „wirft“ einen Zeitlupe-Felsen (am Draht) gegen Gunter. Sigfrid stoppt den Felsen in der Luft

Brunhild
Ei schau! Hat heut‘ die Schwerkraft ihren schwachen Tag?

Gunter gibt dem „schwebenden“ Felsen einen Stups. Sigfrid trägt den Felsen Richtung Brunhild

Brunhild
Kein Geschenk für meinen Geschmack.
Da schau ich, dass ich wegkomm.

Brunhild duckt sich kurz ins Off. Der Fels verschwindet, wo sie stand.

Gunter
Rums! Es reißt Euch, hoff ich, keinen Riss ins Kleid!
Der Wackerstein war schon recht wuchtig.

Brunhild
Aber jetzt! Auf die Plätze! Achtung!

Brunhild ab (rasch am Seitenrand ins Off)

Brunhild (aus dem Off)
Anlauf! Absprung! Aaaaaaaah!

Gunter und Sigfrid verfolgen ihren „Sprung“ mit Blicken

Gunter
Pompf! Das passt schon. Aber jetzt pass auf!
Siiiiiiiiiii….-

Auftritt Brunhild, Sigfrid ab, Gunters Kopf bewegt sich den Rahmenrand hoch und verschwindet oben, bei sägendem Fluggeräusch.
Brunhild bewegt den Kopf so, dass man Gunter oben im Off zu kreiseln meint. Dann taucht Gunter am andern Rand wieder auf
(Musik bricht ab)

Gunter
-….iiiiiiiiiiehst du: ich hab dich besiegt. So!

Brunhild (fassungslos)
Bei allen Göttern. So bin ich deine Braut.
Gleich wird mir schlecht. Oh, wie mir graut!

Gunter
Kann dich nicht küssen leider, da der Helm noch klemmt…

Brunhild
Der Trost des Tages, wenn schon sonst nichts taugt.

Gunter
Ich dank dem Schicksal, Schatz. Komm jetzt zum Schiff.

Brunhild (zum Publikum)
Wenn der mich weiter so geil angurrt, nehm ich Gift.

Brunhild ab, schlurfend, hängenden Kopfes

Gunter (rufend)
Ihr lieben Freunde! Leinen los!
Das Schiff legt ab mit leisem Stoß.
Die Braut fährt nach Burgund.
(leiser, zum Publikum)
Und ich schon bald in ihren schönen Schoß!

Vorhang

11. SZENE: …Drachenboot her

Vorhang auf. Ozean in strahlendem Sonnenschein.
Das Drachenboot (in 2-D) fährt (langsam schaukelnd die Unterkante des Spielrahmens entlang) den Weg retour.

Dazu feierliche Musik (mit Wellenrauschen)

Wenn das Schiff an der andern Seite ankommt: Vorhang.

12. SZENE: Hochzeitsnacht (Gunter, Brunhild)

Hinter geschlossenem Vorhang, aus dem Off:

Gunters Stimme (verliebt säuselnd)
Brunhildchen! Ich bin’s! Bist du da?
Huhu! Mein Häschen! Es es Hochzeitsnacht!

Geräusch: Scherbenscheppern

Gunters Stimme
Aaaaaah!
Nein! Aber nicht doch! Das kannst du doch nicht machen!
Nicht heute! Du bist doch meine Holde! Und ich bin dein
Heeeeeeeeerr!

Laute Kampfgeräusche

Gunters Stimme
Au! Was tust du da, mein Täubchen! Das tut weh!

Brunhilds Stimme
Gusch!

Gunters Stimme
He! Gib mir meinen Gürtel wieder!
Au! Nicht so fest! Nein! Nicht nach oben!

Vorhang auf. Gunters Gemach.
Gunter hängt kopfunter am oberen Rahmenrand. Brunhild hat sich unten bequem unterm Kissen gebettet

Gunter
He! Was hab ich dir, Holde, getan?

Brunhild
Gar nichts -den Göttern sei’s gegackert.

Gunter
Herzchen! Du kannst mich hier doch nicht so hängen lassen!

Brunhild
Wieso nicht? Was willst du denn.

Gunter
Na, runter! Aber rasch! Mir reißt gleich die Geduld!

Brunhild
Langweil‘ mich nicht, Löwenherz. Lass gut sein.

Gunter
Sofort lässt du mich jetzt zu dir aufs Liebeslager!

Brunhild
Dein Lager ist der Lampenhaken. Leck mich.

Gunter
Schimpf und Schande! Schämst du dich denn gar nicht?

Brunhild (belustigt)
Ich? Du bist echt witzig, irgendwie…

Gunter
Ich bin dein Mann! Du machst mich jetzt los!

Brunhild (zu sich)
Wie konnte es kommen, frag ich mich
Dass so ein Feigling, so ein Wicht
Mich kurzerhand besiegen konnt‘?
Was steckt dahinter? Was weiß ich!
Beim Stumpf des Tyr! Da stimmt was nicht.

Vorhang


13. SZENE: Vergewaltigung (Brunhild, Gunter, Sigfrid)

Vorhang auf. In Gunters Gemach … steht Brunhild.
Auftritt Gunter

Brunhild
Schon wieder du? Schau an. Wie’s scheint,
Hast du von gestern noch nicht ganz genug?

Gunter
Heut‘ nacht, mein Schatz, ist nichts wie’s scheint!
Vergiss dein Gestern ganz schnell!
Jetzt ist die Schwanenjungfer dran. Jawoll!

Brunhild (lacht)
Ich glaub ich spinn. Der Specht klopft Sprüch‘!

Gunter
Dein Lachen wirst du gleich bedauern!

Brunhild
Hihi! Dem Hähnchen schwillt ein Hörnchen!
Verschwinde, Freund. Geh, spiel mit Förmchen.

Auftritt Sigfrid mit Tarnkappe:
Sigfrid hält Brunhild fest, Gunter stürzt sich auf Brunhild

Brunhild & Gunter
Aaaaaaaaah!

Dramatische, schnelle Musik.
Sigfrid und Gunter vergewaltigen Brunhild

Vorhang

14. SZENE: Honeymoon (Krimhild, Sigfrid)

Vorhang auf: In ihrem Turmgemach singt Krimhild tänzelnd
vor sich hin (nach der Melodie von „Yesterday“)

Krimhild (singend)
Yggdrasil / hielt einen überlang im Ästespiel
Der fiel hinunter und fand Runen viel
Ganz ohne Met kam er ans Ziel…

Auftritt Sigfrid: noch mit Tarnkappe (Krimhild sieht ihn nicht)

Krimhild (singt weiter)
Auch mein Herzensheld hat eine schöne Tat vollbracht:
Auch ein bisschen Blut fleckt das Bett von heute na-aa-aa-acht!
Yggdrasil: / dein Stamm ist stark, aber nicht halb so viel
Wie der von meinem Held, wenn der mich liebt
Ach, wenn du ahntest, Yggdrasil…

Sigfrid steht plötzlich ohne Tarnkappe da
Krimhild erschrickt. Romantische Musik…

Krimhild
Huch! Mein Held! Wie hast du mich erschreckt!
Hab dich kaum kommen hören, Herrlicher!

Sigfrid
Verzeih! Dein Zirpen hat mich so verzückt
Dich nicht zu stören, stand ich still…

Krimhild
Wo bist du gewesen? Ich wart‘ schon ewig!
Komm her, du Schelm, und küss mich schon!

Sie küssen sich

Sigfrid
Alles schon eh hab ich erzählt!
Vom Drachenkampf, von Fafnirs Tod
Vom Bad im Blut, und wie ich bald
Auch noch den Schatz errang von Alberich.

Krimhild
Schmatz! (Sie küsst ihn wieder)
Mein schönster Schatz bist du!
Auch wenn ich erst heut nacht erschrak
Wo du verwundbar bliebst, mein Bär!

Sigfrid
Ja, hier am Rücken reibt’s noch rauh
Wo deine Finger sich so flink festkrallten
Als Liebesglut uns überhitzte!

Krimhild
Du Wilder… Doch jetzt gesteh: wo warst du grad?

Sigfrid
Ähhh, ich war … ähh… austreten.

Krimhild
So lang?

Sigfrid
Vielleicht…

Krimhild
In Sorge war ich leicht schon, Liebster!

Sigfrid
…vom vielen Bier…

Krimhild
Seltsamer Lärm drang laut und lang
Vom Gang, als hätt’s Gefechte dort gegeben
(Sie drängt sich an ihn)
Da fürchtet man sich fast, als Frau!
Bleib jetzt bloß hier! Ich bitt‘ dich!

Sigfrid (lacht)
Dich lass ich nimmer los, solang ich leb!
Doch vielleicht leg ich dich gleich lang!

Krimhild (macht sich scherzend von ihm los)
He, lass mich los, du loser Kerl…

Sigfrid
Ganz wie’s beliebt…

Krimhild
Mein Liebling!

Sie fällt ihm wieder um den Hals. (Musik klingt aus)
Vorhang

15. SZENE: Freundinnen -Rivalinnen (Brunhild, Krimhild)

Vorhang auf. Innenhof der Burg Worms.
Auftritt Brunhild, Auftritt Krimhild

Brunhild
Willkommen heiß ich dich in Worms! Endlich mal wieder!

Krimhild
Wie lang ist’s her, dass wir uns sahen, Wildfang?

Brunhild
Wer zählt die Jahre? Sind’s zehn erst, oder schon zwei mehr?
Seit’s dich hinwegzog, zu den Zinnen Xantens.
An Sigfrids Seite. Und nur Worms wirkt seither
Ein wenig öde. Fast, als wär’s unbewohnt…

Krimhild
Ja, was juckt’s dich! Du hast leicht juxen
Dich zwickt er nicht, der Zahn der Zeit
Siehst aus, als seist du Idun selber…

Brunhild
Oh, ich aß nur Äpfel… (kichert)
Aber Walküren altern auch.
-Wenngleich nicht äußerlich.

Gekicher

Krimhild
Ich bin inzwischen nur noch von innen schön!

Gekicher

Brunhild
Ach komm, jetzt übertreib nicht, Kindchen.
Nimm dir ’nen Keks -falls du noch kauen kannst!

Gekicher.
Brunhild hakt sich bei Krimhild ein, sie spazieren

Brunhild
Kenn ich doch wahrlich deinen Kummer
Und kann ihn bestens auch verstehn
Gekränkt wär mein Stolz doch genauso
An deiner Stelle, Königskind.

Krimhild
Hä? Was für Zeug erzählst du?
Zum Grämen hab ich gar kein’n Grund.

Brunhild
Nein? Sind’s vielleicht nur die Nerven?
Oder nagt da nicht doch der Neid?
Mir kannst du’s sagen, Kindchen, komm schon.

Krimhild
Schwätz keinen Scheiß! Was soll der Schwachfug?
Zum Spaß hab ich gezürnt der Zeit

Brunhild
Wer’s glaubt, wird selig. Gute Göttin!
Dein Bruder hat dich bös bedient
Als er der königlichen Krimhild
Den eigenen Lehnsmann nur gelassen
Dass du halt auch wen hattest zur Hochzeit.

Krimhild
Jetzt aber Schluss mit dem Geschwalle!
Wer sagt, dass Sigfrid Lehnsmann sei?

Brunhild
Sei ruhig! Ich hab’s doch selbst gesehen
Wie er dem Gunter hielt den Gaul
Als er ankam vor all den Jahren
Im Tross von Gunters Trupp -so treu
Hielt deinem Bruder er die Bügel –
Fast trug er Zügel selbst im Maul!

Krimhild
Im Zaum halt du deins! Ganz zuwider
Wirst du mir, wie du herziehst da
Vom gleichen Stande wie dein Gatte Gunter
Ist auch mein Sigfrid -Adelsspross und Aar!

Brunhild
Wie kommt’s dann, dass dein Kerl dem König
Als Stallbursch‘ diente, stets zur Stell‘?

Krimhild
Das wird sich rausstellen, du gemeine Ziege,
Und nicht zu Ragnarök erst, wer hier Recht behält!

Krimhild ab. Vorhang

16. SZENE: Streit der Königinnen
(Gunter, Hagen, Brunhild, Krimhild)

Leise christlich-sakrale Musik.
Vorhang auf: Man sieht den Eingang einer Kapelle.
Davor steht Hagen. Auftritt Gunter

Gunter
Na, gehst du auch den neuen Gott mal gucken?

Hagen
Ich wüßt‘ zum Loki nicht wieso ich noch einen weiteren bräuchte.
Als gäb’s der Götter nicht genug
Und abgesehen davon hab ich auch gute Gründe
Mich auf die Macht und das Vermögen
Der eigenen Hände, links wie rechts, doch lieber zu verlassen
Herzhaft gelenkt von heilem Hirn.

Gunter
Der Priester aber sagt, der eine Gott ersetzt
Die andern einfach alle.

Hagen
Das dünkt mich wie ein Schwein, das schwimmt
Und erstklassige Eier legt, womöglich gar orakelt
Während sein Rücken Reiter trägt, richtige Milch gibt,
Feinde schlägt, und feenhaft schön sich anzusehn
Als Tanzmaid noch auftakelt.

Gunter (lacht)
Schlecht wär das nicht! Was kann’s schon schaden!
Die neue Lehr‘, sie handelt eh von Licht und Liebe nur
Und lässt sich, wie es heißt, dazu noch leicht erlernen.
Die Glocke döngt. Ich geh mal rein und guck mir’s an.

Gunter ab

Hagen
Macht was Ihr meint.
Nicht jeden neumodischen Murks mag sich
Antun, wer reichlich alten hat, und Ärger.
Will nur mal lauschen, was da läuft, leichthin.

Hagen drückt sich mit dem Gesicht nach hinten seitlich an die Kapellenmauer hin.

Auftritt Krimhild und Brunhild, hohen Schrittes beide.
Vor der Kapelle stoßen sie beinahe zusammen. (Musik verebbt)

Brunhild
Hint’an stell deine Stelzen, stop!
Ich trete ein als erste.

Krimhild
Das erste Wort, das letzte Weib!
Weich aus, bevor ich wütend werd‘!

Brunhild
Kein Recht hast du, hier reinzurattern
Vor mir, du freches Früchtchen.
Erst kommt der Adel, dann die andern.

Krimhild
Vorsicht, bevor du eine fängst!

Brunhild
Mir drohen traut die Dienstmagd sich!
Troll dich von Tor und Türe!
Scheinst nicht zu wissen, was sich schickt
Kennst wohl nur Kuhstall-Koben.

Krimhild
Was sich für wen und wie hier ziemt
Ich zeig’s dir gleich, du Zicke!

Sie reißt einen Gürtel hoch

Krimhild
Hier schau! Des schönen Kleides Schmuck
Kommt er der Königin bekannt vor?

Brunhild
Mein Gürtel! Gib ihn her, du Gans!
Gestohlen hast du gar das Stück aus meiner guten Stube?!
Vermissen musst‘ ich ihn seit man mit Gunter mich vermählt‘!

Krimhild
Da, nimm! Doch ich war’s nicht, oh nein!
Sowenig wie’s dein Weichmann war
Der die Walküre überwand, die wilde
Brunhild ins Brautkleid brachte!
Nicht dein Mann war’s, der dich mit Macht
Gefangen, vorgeführt, gefickt hat!
Hast du geglaubt, der Gunter gab’s dir,
Nahm’s dir? Gefoppt nur warst du, Närrin!

Brunhild
Du lügst! Wie soll, bei Lokis Lästerzung‘,
Die Zauberei sich zugetragen haben?

Krimhild
Auch ich erfuhr es gestern erst.
Die Lösung ist so leicht wie Luft
Und ebengradso unsichtbar!
Als Sigfrid Alberich enterbt
Dem zähen Zwerg das Fell gegerbt
Gab der zum ganzen Golde
Ihm eine Tarnkappe zum Trug
Von Menschenaugen mit, die machte
Ihn unsichtbar, auf Island wie im Hochzeitsbett!
Den keiner sah, der siegte so:
Nicht Gunter, nein -nur Sigfrid!

Brunhild (schweratmend)
So reimt sich, was an Rätseln reich blieb
In dieser Angelegenheit, aus all den Jahren!
Wahnsinn! Und wieso weißt du’s?

Krimhild
Du selbst gabst ins Gemüt mir Gift
Als du mich aufzogst anlasslos
Mir schlechtzumachen meinen Mann
Er sei des Königs Stiefelknecht
Und nur von niederem Stande.
Im Stolz gekränkt, stellte ich kurz
Und knapp zur Red‘ den Starken.
Wie schwach der wurd‘ als Wahrheit er
Bekennen musst‘ vor mir und meinen Fragen!
Die Konsequenzen aber, Königin,
Könnt Ihr allein jetzt tragen!

Krimhild ab

Brunhild
Ich fass es nicht! Gefoppt, fürwahr
(schreiend) Gefickt wie Vieh im Felde!
Derart gedemütigt, dass ich
Tod an den Hals wünsch‘ dem Helden!

Hagen (eilt herbei)
Oh Herrin! Alles habe ich gehört
Und äußerst unfreiwillig.

Brunhild
Dich schickt ein Gott. Geh zu und gib
Dem tückisch Treulosen den Tod!
Der mich als Freund und Frau verriet
Der schönste Sprüch‘ mir schuldigblieb
Der Stolze soll nun sterben! (Sie fängt an zu schluchzen)
Helft mir doch, Hagen, ich hab’s satt
In Schimpf und Schand‘ zu schmachten!

Hagen
Ein Dorn im Aug‘ und im Gedärm durft‘ mir
Der Zwackel längst zwar werden, doch zög’re ich
Den Recken so hinterrücks zu richten.

Brunhild
Wie elend hat er mich entehrt!
Hier, ein Geheimnis, Hagen,
Trau ich dir treulich an zu hören, im Herzen mitzutragen!
Ich war’s, in die der Elendskerl sich einst so heiß verliebte!
In meiner Waberloh‘, da war’s, weißt du…
Die überwand der Wilde! Ja, da war’s
Um sein Herz geschehn, und er verhieß mir’s heimlich!

Hagen
Wann das?

Brunhild
Ach, was weiß ich. Jenseits war es von Jahren…

Hagen
Ja. Ich schätz‘, es muss jetzt was geschehen.

Brunhild
Und wahrlich weißt du, Hagen, welcher
Held heim zur Hel wird gehen.
Hab ich dafür des Hagens Hand -und Eid auch?

Hagen
Bei meiner Ehr‘! Die Eure stell ich wieder her
Sobald ich Sigfrid sehe!

Hagen ab

Brunhild (unglücklich)
Wie graust mir doch, wenn er gar stirbt. Ihr Götter! Ich vergehe!

Vorhang

17. SZENE: Mord (Sigfrid, Hagen, Gunter)

Vorhang auf: Im Wald. Dramatisch anschwellende Musik.

Auftritt Sigfrid.

Auftritt Hagen und Gunter.

Sigfrid geht voraus, bückt sich.

Gunter hält Hagen kurz fest.

Hagen wehrt kopfschüttelnd Gunter ab.

Gunter bleibt stehen.

Hagen geht Richtung Sigfrid.

Hagen stößt Sigfrid den Speer in den Rücken.

Sigfrid stirbt.

Hagen sieht zu Gunter.

Gunter schaut weg.

Hagen zieht den Speer aus der Leiche und geht ein paar Schritte
zur Rahmenmitte.

Hagen wirft den Speer fort.

(Musik Ende)
Vorhang

18. SZENE: Am Hunnenhof (Etzel, Krimhild)

Vorhang auf: Am Hunnenhof. Orientalische Musik. Auftritt Krimhild: sie schnieft vernehmlich. Auftritt Etzel (Musik wird leiser und verebbt)

Etzel (mit starkem Akzent)
Noch immer traurig über alte Tode, Teuerste?

Krimhild
Verhehlen kann ich’s nicht, an wem mein Herz festhält.

Etzel
Nach all der Zeit nagt jener Kummer noch an dir?
Es ist doch … alles nur Kram aus erster Ehe.
Jetzt hast du mich. Ja längst seit Jahren
Hast du doch Frieden: hier am Hunnenhof.

Krimhild
Für dich mag’s ewig her sein, Etzel, eins aber sag ich dir:
Echte Liebe ist für immer: genauso endlos ist mein Elend.

Etzel (kopfschüttelnd)
Was tot ist, wird nicht wieder wach durch Trauern.
Törichte Sehnsucht hat doch selten Sinn.
Zieh einen Schlussstrich, anstatt dich zu zermartern.
Was vergangen ist, solltest du endlich auch in die Gräber geben.

Krimhild (nachdenklich, plötzlich aufgehellt)
Gute Idee … ja eigentlich… ist das echt die Lösung. Ach, Etzelchen…!

Etzel
Hab ich dich aufgeheitert, Herzchen?

Krimhild
Noch nicht, aber du wirst es tun, wenn du mir einen Wunsch erfüllst!

Etzel
Jeden, der deinen Jammer tilgt. Ja?

Krimhild
Lass einen Boten los nach Worms, lad die Burgunden
Ein auf ein Fest: Aussöhnen will ich mich mit allen.

Etzel
Damit erstaunst du mich jetzt doch.

Krimhild
Wir feiern mit den Wormsern hier im Waffensaal!

Etzel
Beim Sambal Oeloek, die Bitt‘ erfüll ich gern dir, Beste!
Ein heißes Fest am Hunnenhof!

Krimhild (böse glühend)
Oh ja, beim Odin! Das wird’s ohne Zweifel werden!

Vorhang

Sound: Schlachtenlärm (in Vogelschreien ausklingend)

19. SZENE: Epilog (Freyja, Odin)

Vorhang auf: Schlachtfeld. Auftritt Freyja und Odin: sie lehnen am Rahmenrand und schauen ins Publikum

Freyja
Du hattest recht. Gerast sind sie ja richtig
Ins Unheil, und zum Untergang.

Odin
Untergang ja, doch Unheil? Untersteh dich
Ihnen vorzuenthalten, was sie nach wie vor haben: Heil

Freyja (spöttisch)
Schau sie dir an. Sahen die nicht schon mal heiler aus, und schöner?
Wer von den Leuten fiel freiwillig?

Odin
War’s nicht dein Liebling, der zuletzt noch lachte
Als sie das Herz begonnen hatten ihm herauszuschneiden?

Freyja
Nicht typisch war der Tod des tapferen Hagen.

Odin
In dem Fall doch. Denn konsequent
Haben sie alle hier gehandelt.
Auch wundes Herz enthält noch Heil.
Deswegen … will ich sie ja haben für Walhall.

Freyja
Das haben wir doch schon diskutiert.

Odin
Schon gut, schon gut. Ich schnapp mir dann…

Freyja
Wenn meine Krähen erst auf ihre Kosten kamen…

Odin
…Den einen oder andern Mann.

Freyja
Mit rotem Kuss markier ich meine!

Odin
Mein Speer ist spitz.

Beide
Wir fangen an!

Vorhang, Krähenschreie, plötzlich sehr harte Rockmusik mit gellendem Gesang


NACHSPIEL

20. SZENE: Outro (Aasvögel)

Rockmusik läuft weiter.
Auftritt Aasvögel (menschliche Darsteller in Maske): hinter dem Spielkasten hervorstürmend ins Auditorium. Sie hält einen Lippenstift gezückt, er einen Stab.

Beide eilen durch die Reihen der Zuschauer, Freyjas Aasvogel markiert einzelne mit ihrem Lippenstift. Odins Aasvogel stürzt hinterher und berührt diejenigen, die keine Lippenstiftspuren tragen, mit seinem Stab. Beide Aasvögel versuchen möglichst viele Zuschauer zu markieren, sie kommt ihm jedoch immer zuvor.

Er
Wer will nach Walhall? …

Sie
Du fährst nach Folkwang, Freund! …

Ende

Text © Duke Meyer 2007
Pagan Puppets: Die Nibelungen

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