Eibensang

Die Farben hissen!

Ein Königreich für eine Melodie – die jedesmal ertönt, wenn ich den Raum betrete (oder überhaupt irgendwo erscheine): orchestral und schwülstig, großes Kino bitte! Nichts weniger ist meinen Gefühlen angemessen – und deinen auch, oder? In der nächsten Runde der Schöpfung / des Multiversums / großen Ganzen usw. wird das beantragt! Zusätzlich zu den anderen überfälligen Verbesserungen: bedarfsweise nachwachsende Zähne auch für uns Zweibeiner! Und eine optimierte Signalführung der Wahrnehmungseindrücke durchs Hirn, bitte! Nicht erst alles durchs Stamm- und Zwischenhirn leiten wie bislang – das macht’s dem sog. Großhirn nur unnötig schwer, sich von ungeliebten Reflexen und störenden Vorurteilen zu befreien! Aber das Wichtigste wär schon, das wir alle unser musikalisches Erkennungsthema kriegen. Wenigstendenz!

Als ich jung war, so Mitte 20, hatte ich mir was dahingehend selbst gebastelt. „Der Frankenfürst“ hieß es – damals wohnte ich in jener Gegend – und war ein heftiges Stück Ich-bin’s-Prosa, unterlegt mit „Pomp & Circumstances“ (von Sir Edward Elgar: jenem pathetischen Orchestral-Schmonz, den sie immer zum Aufmarsch der englischen Queen spielen. Ich war hübscher damals: machte es in Körperbemalung oder manchmal – wir hatten ja nix, so kurz vorm Krieg – auch ohne). Konnte ich halt immer nur auf der Bühne bringen. Aber immerhin. Der Text beinhaltete die Vision, im Gefolge ungestümer Amazonen auf einem „stahlblauen Robot-Ross“ (in dessen Flanken „Lautsprecher eingebaut sind“), durch Städte zu reiten und den Verkehr lahmzulegen „zur Hauptverkehrszeit“!

Was mir heute zuwenig wäre. Mit dem Alter wachsen die Ansprüche. Mitunter gar die Visionen: Zehn Jahre später schwor ich vor Zeugen, die Swastika vom Feind zurückzuholen, sie zu entsudeln und wieder zum Friedenssymbol zu machen. Ich war sturzbetrunken, wie sich das für ein germanisches „Ahnentrinken“ gehört (es war zudem mein allererstes) – was nichts entschuldigen mag, aber es ging ja auch als Ruf an die Großen: die bei der Erfüllung scheinbar unmöglicher Wünsche helfen (sollen. Und sie sind am Werk. Große Dinge dauern manchmal länger). Und schließlich muss man nicht ausnahmslos alles alleine machen – schon und längst helfen mir so viele Menschen dabei. Wir haben wenig Presse. Hatten wir nie. Aber wisst ihr was? We shall overcome.

Hoist the colours! Haben wir Übermachten gegen uns? Stehen wir auf verlorenen Pöstchen? Sieht es dusterschwarz aus in der uns offiziell genehmigten „Zukunft“ (die aber doch nicht stattfindet. Denn es kommt IMMER anders! Was wetten!)? Sind wir behindert – durch wen oder was auch immer? Sind wir zuwenige? Outnumbered? Na, und wenn schon! Freunde! Für irgendetwas haben wir das alles bisher durchgestanden! Und überlebt! Auch im Namen unserer Toten. Wenn ich mal unter ihnen bin, möchte ich, dass jemand von euch meine Geschichte erzählt, oder besingt. Ein unbescheidener Wunsch. Ein mir angemessener. Ich hab eigentlich nirgends zu klein geratene Körperteile. Aber mein verdammtes Herz war schon immer eine Nummer größer – noch größer als der gesegnete Rest.

Hisst eure Farben! Hoch, hoch, hoch die Träume! Lasst sie knattern und wehen – lasst sie sehen! Alle Welt soll sehen! Mit was sollen wir wuchern – als mit dem, was wir wahrlich haben? Und ich schwör euch: Jeder Sieg in der Menschheitsgeschichte hat so begonnen – mit Sehnsüchten und Träumen! Sind wir Kriechtiere? Sklaven? Fernseher? Nein, um mich herum nur wilde Herzen! Freie Menschlinge! Kinder der Sonne! Seelen in Körpern! Geboren, um zu fühlen! Was hindert uns am Leben? Blumen müssen sprießen. Sie kommen immer wieder. Steht auf! Im Namen der Tränen, die ihr mal hattet: Steht auf, erinnert euch ihrer, und kämpft! Wenn du keine mehr hast, weine ich für dich. Aber steh auf! Die Welt ist zu kalt, um zu resignieren. Bewegung!

Ich will dir was sagen. Ich bange um meine Zahnbrücken, die ich seit 30 Jahren trage. Meine Kieferknochen bilden sich zurück: Ausfall der letzten tragenden Stummel droht. Ein guter Doc, ein eloquenter Ex-Ägypter, hilft mir. Aber ich USG (Ultraspät-Glückspilz) habe mir erst jenseits der 40 Zahnpflege angewöhnt (wozu ich sogar Magie brauchte) – blödes Neurotiker-Schicksal… Du wirst das deine haben – meins nur als ärmliches Beispiel: für etwas, das geht. Das sich wendete – und weiter wendet. Und ich will es wissen: in dieser Welt, jetzt, hier und heute. Wo bleibt meine Melodie, verdammt! Soll ich sie selber summen, singen? Ja – notfalls auch das! Ihr sollt sie hören! Und ich will sie mit deiner verranken, vermorphen, umschlingen! Ich bin ein Sterntalermädchen – Goldtaler, fallt in meinen hochgehobenen Rock! Ich will einen Wald kaufen. Ach was – kaufen! Wuchern will ich ihn lassen! Er wurzelt in meinem Herzen, ich trage ihn auf der Zunge, ich bin Eibensang, von den sprachlichen Spitzen meiner Pfeile tropft Freyjas Schlick!

Wofür schreib ich so Zeug? Dich zu erinnern. Dich zu rühren, erkannte Freundin, geschätzter Freund. Meine Götter haben eine Göttin der Jugend. Die hütet zauberische Äpfel. Die geben den Großen Lebenskraft. Wo ist deine? Welche „Äpfel“ nähren dich? One good dream every day keeps the Psychiater away, oder? Mit welchen Beispielen oder Metaphern soll ich noch kommen. Ich küss dich einfach. Küss dich gnadenlos. Mag die Farbenpracht deiner Seele nicht länger im Staub liegen sehen, zertreten und besudelt. Ich war der ärmste Mensch dieser Erde, glaub mir. Ich war ganz unten. Ich hab mich erhoben. Strauchelte, fiel abermals – erhebe mich wieder. Und wieder, und wieder. Schau: Ich reich dir die Hand! Ergreif sie! Steh auf! Wir liefern der verdammten Übermacht gegen uns ein Behindertenballett, das sie nicht so schnell vergessen werden. Abgemacht? Ich will tanzen… als gelernter Nichttänzer. Mit dir… und mit dir. Und dir auch. Ungelenk? Von wegen. Wir haben die Farben. Die unserer Sehnsucht. Unseres essentiellen Selbst.

Meine Farben sind die von Bifröst. Die des Regenbogens. Regenbögen erscheinen im Nass der Himmelstränen, wenn trotzdem schon Sonne durch das Grau blitzt. Das ist eine besondere Situation immer. Wie die deines Lebens, deines Moments. Mag sein, dass wir beschissen aussehen grad (lach). Da muss halt das Leuchten unserer Augen das Werk der Hollywood-Visagistenteams ersetzen – und soll es, wyrd es, in Bragis Namen! Vielleicht sehen wir besser aus, machen einen besseren Eindruck, als wir denken! Unsere ungeborenen Enkel schauen zu – machen wir ihnen keine Schande, sondern leben unsere Geschichte. (Sie gilt auch für die Enkel der anderen: die welche haben.) Damit dereinst die Besseren unter den Nachgeborenen was zu singen haben. Oder wir schon: jetzt, hier und heute. Hast du nichts geschworen? Hast du keine Aufgabe? Oder schon aufgegeben? Stemm dich auf die Krücke – ich geb dir eine, hier, nimm! Auf! Da ist der Horizont! Ihn sollen wir erweitern! Das ist der Job! Unser Job! Im Namen der Liebe.

Jede von uns, weiß, für was sich der Kampf lohnt. Es ist uns eingebrannt mit jedem Schmerz, den wir empfingen. Wir müssen nur begreifen, dass darin der Sieg wohnt. Und auch unser einander Erkennen. Hör mein Herz, Übersehene. Es wiegt fast so schwer wie deines, und tropft aus ähnlichen Wunden. Ich bin bereit, unsere Unvereinbarkeiten geringer zu schätzen, als sie scheinen. Brücken zu bauen. Die Menschenrechte sind jung. Sie brauchen Streiterinnen, Lieder, Geschichten. Es hat erst begonnen. Wir sind nicht die Letzten, sondern die Ersten. Anfängerinnen. Wir brauchen dein Blut! Das deiner Seele, deiner pochenden Pumpe, deiner pulsierenden Wut! Deines Glaubens: dass es einen Wert hat in dieser Welt. Wo sonst nur noch ein „Preis“ gilt, ein Geldwert – und darob nix mehr einen Wert hat. Ich bitte dich: um eine einzige Farbe. Einen Ton. Eines kitzekleinen Traums. Eines Fingerfühlens. Eines Seelenzitterns. Unmerklich? Berge wird es versetzen! Kontinente verschieben sich, Weltreiche stürzen. Dein Puls. Dein Wollen. Dein Sehnen. Hier ist die Krücke. Rangel dich hoch. Ich helfe dir.

Lies das alles nochmal: Dies ist mein wahrer Lebenslauf. Meine tatsächliche Biografie. Sie enthält meine wichtigsten Referenzen. Als Bewerbung. Als Herold derer, die sich aufraffen: gegen Übermächte zu tanzen.

Zeig deine Farben! Ich halte sie hoch für dich! Lasst diese Farben von unseren Wünschen künden! Lasst uns einen guten Ruf erringen – unter den Empfindsamen, den letzten (noch) oder ersten (wieder) Träumenden vom Aufrechten Gang. Die Geschichten, die über uns gesungen werden, könnten jeden unserer Untergänge in Siege verwandeln. Es wäre nicht das erste Mal, das so etwas geschieht. Du siehst nur Schilde, Panzerwagen, Mauern? Ich sehe eine Blume auf dieser Mauer sprießen – ein bitteres, feucht-schönes Unkraut, mit ungeheuer bunter Blüte. Kann sie riechen, mit meinen magischen Nüstern! In ein paar Jahrhunderten schon müssen Archäologinnen vielleicht tief graben, um die Reste dieser verdammten Mauer zu finden, wo längst ein wunderschöner Wald gewachsen ist. Mit dem Geld aber, den schmutzigen Münzen und ein paar Resten zerfetzter, bunt bedruckter Scheine, werden Kinder spielen – eine Weile lang, bis sie etwas Interessanteres finden… ein Eichhörnchen huschen sehen, zum Beispiel. Wir sind auf der – langfristig – stärkeren Seite. Auf die wir uns täglich neu stellen, denn nichts ist selbstverständlich, nichts geht von selber – oder alleine weiter.

Aber wenn man es wagt und nicht locker lässt, passieren die erstaunlichsten Sachen. Letzten Freitag fuhren zwei bildschöne, spirituell hochpotente Drachenfrauen von einem Tanzendem Traumstamm den ganzen Weg aus einem kleingefalteten Jausenland hinauf in die Kälte Mordor-Täuschlands; in einer stimmungsbeheizten Nische besangen wir den Tanz der Schöpfung und unsere kleinen, aber nichtsdestotrotz strahlenden Rollen darin – und wir vereinigten Geist und Schönheit so lange und so intensiv, dass bald schon niemand mehr sagen konnte, worin sich die beiden Phänomene je unterschieden hätten. Taten sie das je? Wir tauschten sie aus, verteilten sie überschwänglich, und hernach war von allem mehr da als zuvor. Hisst die Farben! Zeigt, wer ihr seid! Und wofür ihr einsteht! Lust ist der Lohn, Mut ist der Preis.

Der Rest ist Schwelgen.

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