Eibensang

Ballade vom traurigen Werwolf

Ein Abendessen bei Freunden
Ich hab es genossen und schwieg
Gelacht über Anekdoten
Dann begann der Aufbruch – ich blieb

Ich sah die Mädels gehen und die Jungs, all die Leute
Meine Gitarre, die stand still im Eck
Ich hätt‘ schon gern gespielt, aber bis ich den Mut fand
Waren die meisten Gäste schon weg

Ja, ich könnte da schlafen – die Gastgeberin
Wies mir die Kammer zur Nacht
Umarmte mich, wie ich merkte, zu lang
So hinterließ sie mich wach

Ich ignorierte mein Handy, das piepte nur stumm
Alle Welt wieder hinter mir her
Der Mond war voll und die Nacht schien mir jung
Und nur die Matratze zu leer

Was tun, so allein, wenn das Dorf draußen schläft
Was tun mit der Energie
Die Stille, sie drückte die Wut in mir hoch:
Du willst feiern und weißt doch nicht wie
Du willst leben, und weißt nur nicht wie

So tat ich etwas, was man sonst nicht tut
Ich ließ alle Winde herein
Zog mich ganz nackend aus, heulte lang wie ein Wolf
Bis ich meinte, selbst einer zu sein

Dann schlich ich die Stiegen – knarz, knarz – rasch hinab
Fand die richtige Tür per Geruch
So stand ich im Zimmer der Gastgeberin
Wie ein Rächer, ein Dämon, ein Fluch

Ab spätestens hier wird es unglaubwürdig
Vielleicht war’s ja auch nur Phantasie
Doch die Frau sah mich an, neben ihr schlief ihr Mann
Aber wer da nicht aufschrie, war sie

Es war kaum ein Wink, geschah unmerklich fast
Und beweisen brauch ich’s ja nicht
Die Schöne entglitt ihrem Bett ohne Hast
Stand vor mir mit ruhigem Gesicht

Und sie flüsterte: Wolf, und ich flüsterte: Wölfin
Und wir kamen uns vor wie Elf und Elfin
Und kaum war’s gehaucht, schlich sie mit zu mir rauf
Und wir liebten uns fast schon im Lauf

Zur Info, wie’s weitergeht, werd‘ ich kurz indiskret
Denn die Details sind pikant
Als ich wild in sie floss, schrie sie auf wie ein Ross
Und in der Tür stand ihr Mann

Nein, er hatte die Pump Gun im Schrank gelassen
Und schien nicht mal sehr überrascht
Als er sagte: Das hab ich mir gleich gedacht
Dass ihr zwei mich heut nacht noch verarscht!

Die Schöne war bleich – ich handelte gleich
Was ich sonst selten tu – aber jetzt
Und ich setzte zum Sprung an und – haps –
War der Jungmann verröchelt: die Kehle zerfetzt
Hab dem Gatten die Kehle zerfetzt

Der Rest der Geschichte, leider leider
Geriet mal wieder zum Psycho-Gespräch
Über Problembereiche, und: wohin mit der Leiche
Und natürlich: wann wer mit wem schläft

He, hilf mir mal! fluchte sie, zerrte am Toten
Ich packte eher linkisch mit an
Und die Elfin, sie schalt mich einen Idioten
Auf meinem Handy rief jemand an

Was soll ich sagen? Wie sind wir verblieben?
Ich tauchte zurück in die Nacht
Matt und voll Schweiß bin ich einsam und heiß
Auf meinem Gastlager aufgewacht

Das ist natürlich der billigste Plot:
Jede Tat immer nur zu erträumen
Papier vollzukritzeln mit so einem Schrott
Und das Leben dabei zu versäumen

Beim Frühstück bin ich eher wortkarg geblieben
Sah den Mann, sah die Frau, sah die zwei
Und ich wollte kein Kraulen meines räudigen Fells
Keine Milch und, nein danke, kein Ei

Auf dem Rückweg sah ich noch Hasen hoppeln
Auch ein Reh stand am Waldesrand
Der Bummelzug zog vorbei an den Stoppeln
Öder Felder in wolfslosem Land

Mehr kommt nicht mehr, das war nun schon alles
Und viel ist ja nicht grad geschehen
So geht’s mir öfter – und auch, wie’s weitergeht
Wird nicht in der Zeitung stehen.


Musik & Text © Duke Meyer 2002

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