Eibensang

Ahoi, Halunken!

Soeben bin ich auf hoher See – Musik ist ein Meer, wisst ihr – und daher mach ich grad alles genauso wie Jack Sparrow (Verzeihung: Käptn Jack Sparrow, natürlich!). Naja – vielleicht bin ich zur Stund‘ nicht ganz so hübsch wie der. Aber uns eint die Profession. Und der Stolz. Nennt mich Käptn! Denn ich bring dieses verdammte Boot zum Fahren. Ich steh am Mast meines Mischpultes und höre, wie das Heulen der Gitarre – meiner guten Chica – die Segel bläht. Gegenwind ist reichlich: Gut bestückt zwar mein Kahn – Kanonen geladen und frisch poliert, dass es eine Pracht (vielleicht sogar eine Macht) ist – nur weit und breit keine Beute in Sicht. Aber, zum Donner und Klabautermädel, der Planet ist rund – und das lohnende Ziel gleich hinterm Horizont. Hinter der Randkrümmung. Durchhalten!

Ich hätte es gut haben können. Mich zurücklehnen und mir sagen, dass ja eh alles keinen Sinn habe oder schon durchgemacht sei. Oder, populistisch gedacht: „eh zu spät“. Leute, die so drauf waren, haben mich aber schon mit 20 befremdet. Die waren nämlich gleichaltrig. Sie stellten damals schon Mehrheiten. Beraubten mich so des Gefühls, einer Generation anzugehören. Gut, dass es noch andere gibt: Menschen, die sonstwann geboren sind. Wir Piraten müssen zusammenhalten. Und wir erkennen einander: manchmal am Lachen, manchmal an den Tränen. Und manchmal auch einfach am Glitzern in den Augenwinkeln.

Hab beste Besatzung im Boot, heut‘. Der eine hat ein Holzbein an der Seele (mit dem peitscht er Takt). Die andere ist auf mindestens einem Auge blind vorm Spiegel. Die aber, die mich fing als ich ins Bodenlose fiel, hieß mich die Fahne hissen – auch ohne Segel. So überstand mein Kahn das Wetter – trotz Leck und morscher Spanten. Es gibt, wusste sie, auch einen Seegott, der ohne Segel fährt. Götter sind gute Vorbilder. Manchmal denk ich nicht dran. Aber jetzt wieder. Blessuren haben wir alle. Die Botschaft heißt: trotzdem. Vielleicht sogar: deswegen. In meinem Phall: damit!

Ich habe nichts vergessen. Ich löse jetzt ein, was ich wollte, als ich 13 war. Es ist spät geworden – da waren unheimlich viele Umwege zu erfahren – aber genau die brachten mich hierher: in die rechte Zeit. Die Umwege waren wichtig: Sie lehrten mich die Freude. Von der ich keine Ahnung hatte beim Aufbruch. Aber die bring ich jetzt mit. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie nötig ist. Austeilen will ich sie! Mit Zins und Zinseszins! Dass wachse, was soll!

Und jetzt hört mal her, ihr potentiellen Selbstmordkandidaten. Wir quaken hier auf gleicher Augenhöhe. Ich bin einer von euch – gewesen. Mein Triumph ist das Scheitern meiner Trübnis – und aller von ihr klammheimlich diktierten Pläne. Es ist nur ein Götterspiel: In 100 Jahren sind wir alle tot. Was hast du zu verlieren? Viel? Ich auch! Was hast du zu gewinnen? Nichts? Lüge! Alles – alles liegt hinter dieser verdammten Horizontkrümmung. Fahr ein Stück, geh oder schipper ein paar Gehirnknoten weiter. Piraten müssen Beute machen. Schon der Magen diktiert das. Aber noch mehr. Wollten wir nicht tanzen? Die Welt erobern? Oder wenigstens – einmal das Glück küssen?

Es kommt so gern. Zu jenen Pechvögeln, die ihren Beruf als Pechvögel sich aufgeben trauen. Notfalls ohne Ersatz.

Wie sie auch immer ausschauen mag, die Welt: Es gibt sie noch. Wem soll sie gehören?
Hand aufs Herz: Wir wollen sie doch bitteschön nicht jenen gelernten Monstren überlassen, die sie bisher gestaltet haben. Dafür war das Ausgangsmaterial zu gut, möcht ich doch mal ganz parteiisch – als Anbeter der Sonne und des Mondes (und dessen, was beide bescheinen) – meinen.

Holzbein? Augenbinde? Rheuma? Knoten im Selbst-B.-Wusstsein? Beute fern? Wasser nass? Meer groß? Schiff leck? Die übliche Unbill… Und trotzdem: Das Wetter wechselt ständig. Auch und grad das ganz große.

Wir treffen uns. McLyr fährt ohne Segel, ich mit, und wer die Große Liebe noch nicht traf – der hat sie doch verdient. Bin eins mit manchen, die sich ohne behelfen müssen oder mögen. Bin der lausigste aller Piraten. Aber lerne gerade Gitarre spielen. Hört sie heulen. Die Wut eines 50jährigen jungen Lebens steckt da drin. Ihr Halunken aber – seid froh, dass es keine Kanone ist.

Vielleicht aber … ist es doch eine. Habt ihr von mir gehört? Im Zweifelsphall: Ihr werdet.

Jedes Gefühl zählt. Eins ausdrücken, heißt Post verschicken: von Absender an Adressat. Und mag es Flaschenpost sein: Botschaft ist’s dennoch. Leise applaudieren Götter. Nicht nur sie: leben durch uns. Es gilt auch umgekehrt. Musik überwindet die Grenzen, die Vorurteile, die Zeitalter. Von der direkten Liebe zueinander abgesehen, haben wir alle nichts besseres. Sie – Liebe und Musik – sind keine Ware. Von ihrem Wesen her sind sie unkäuflich. Aber für alle. Begrenzte Ressourcen? Ha! Allen Daseins Quell.

Und nochwas, was mir auffällt – auch und gerade, wenn man sich unerwartet trifft unterwegs: Die Welt ist groß.

4 Reaktionen zu “Ahoi, Halunken!”

  1. Dee

    … Kurs geradeaus? Im Zickzackund auch mal rückwärts? Geht klar Käpt’n! Volle Segel gesetzt!

    🙂

  2. MartinM

    Moin, moin, Kap’tän Duke,

    auch wenn Du in der tiefsten Bickbeeren-Schweiz *) lebst, und es am einst vom seligen Franz-Josef eigenmäulig durch die fränkische Landschaft gegrabenen Rhein-Main-Donau-Kanal nicht „Schiff ahoi!“ heißt, sondern allenfalls, im überraschten Tonfall „Hoi … a Schiff!“ – du bist ein mindestens genau so guter Pirat wie Captain Jack Sparrow – und allemal sympathischer als der olle Schlagetod Henry Morgan, dessen finsterer Charakter, als er erst mal „Sir“ war, von beflissenen Historikern ins seeheldenhafte umgedichtet wurde.

    Auch sympathischer als Claus Störtebeker, ich mein den echten, den marodieren Söldner zur See, nicht den sympatischen Robin-Hood der Nord- und Ostsee, zu dem er, nach dem er auf dem Grasbrook zu Hamburg um Haupteslänge gekürzt worden war, in Volkes Mund wurde.

    Mast- und Schotbruch, und immer ’ne Handbreit Wasser unterm Kiel!

    *) Bickbeeren – gesprochen „Bickbäärn“ – norddeutsch für „Heidelbeeren / Blaubeeren“. „Bickbeeren-Schweiz“ – Seemanns-Slang für „Binnenland“.

  3. MartinM

    Nachtrag: Im Wahlbezirk „kleiner Grasbrook“, da, wo einst die Hinrichtungstätte zu Hamburg war und Gödeke Michels, Störtebeker und weitere Vitalienbrüder den Kopf verloren, kam die „Piratenpartei“ bei der Europawahl auf 8,6 % – vor der CDU …

  4. Dee

    Huhu Martin,

    … ein Schelm, wer böses dabei denkt 🙂
    Ausgerechnet die Piratenpartei *schmunzel*

    … und Dein Frankenslang ist beeindruckend *wegschmeiß*

    Lieben Gruß
    Dee

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